Der amerikanische Ausnahmepianist Harold Budd kann auf fünfzig Jahre des Spielens und Komponierens zurückblicken. Obwohl weit weniger bekannt, steht er als Instrumentalist wie Brian Eno am Anfang einer Reihe von Musikern, die heute an der Schnittstelle von Ambient und akustischer Musik arbeiten. Der Pionier des Minimalismus der siebziger Jahre, dessen hallende, raumgreifende Kompositionen die Weite seiner Heimat in der Mojave-Wüste spüren lassen, ist auch für seine Kooperationen mit Vertretern verschiedenster Genres bekannt. Die Fusionen mit Eno oder Jaki Liebezeit, mit U2 oder den Cocteau Twins haben sich nie um Gattungsgrenzen geschert und so zu ihrer Auflösung beigetragen. In der hyperreferentiellen Post-Internet-Ära, da nichts und niemand sich der globalen Durchmischung entziehen kann, gibt die Besinnung auf die eigenen Wurzeln Halt.
Oktaf-Macher Martin Juhls hat nun mit Raphael Anton Irisarri für eine Hommage an ihren musikalischen Vorfahren eine beeindruckende Auswahl wichtiger aktueller Vertreter des Genres um Beiträge mit Budd-Referenzen gebeten; so auch Deaf Center, Loscil oder Biosphere. Angesichts der Kritk an der allgemeinen Retromanie ein Grund, endlich mal wie das Original klingen zu dürfen? Den Eindruck vermitteln leider einige Stücke, von deren Schöpfern es meist auch Spannenderes gibt. Zwar gebietet der gute Zweck Nachsicht (die Erträge kommen einem Charity-Projekt Budds Wahl zugute), interessant wird es aber eben da, wo der Budd-ismus Ausgangspunkt für etwas Eigenes ist. Wie bei Xela, dessen Klavierhall nur schemenhaft hinter einem dronigen Rausch- und Rhythmusschleier durchscheint, bei Marsen Jules, der im fantastischen „Sunrise on 3rd Avenue” eine synthetische Supersonne aufgehen lässt, oder in Mokiras grandios zischenden, Reverb-schrägen „Harold Dubb”. Christopher Willits’ verzauberte Gitarrensamples schweben, gerade noch als solche erkennbar aber an Streichinstrumente erinnernd, im weiten Raum. Taylor Deupree liefert ein ätherisches Gewebe aus Stimmen- und Stringflächen, in das er schimmernde Glockenspielperlen streut, und das an die „Music to fall asleep to” des holländischen Labels Slaapwel denken lässt. Am Schluss steht „My Father, My Friend”, eine berührende Zusammenarbeit von Bvdub und seiner Mutter Criss van Vey. Dichte, scheinbar unverbundene Schichten von Stimmen, Streichern und Klavier bauschen sich darin zu einer voluminösen Soundwolke und lösen sich wieder auf. In solchen Momenten ist Budd präsent, aber nur wie ein Summen in der Luft. Wer noch nicht mit dieser Art von Musik vertraut ist, dem sei geraten, sich für das Hören viel Zeit zu nehmen und auf einen guten Raumklang zu achten. Was zunächst fad erscheinen mag, kann hier unter den richtigen Voraussetzungen zu Erweckungserlebnissen führen.
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