Nahezu niemand spielt die Klaviatur der Mythenbildung derzeit so gut wie Mikhaylo Vityk. Er steckt hinter den Pseudonymen Vedomir, V und Vakula. Wie wichtig diese Form der Außendarstellung im zeitgenössischen House-Spektakel ist, hat ihm wohl sein Entdecker Lindsay Todd, Betreiber des Labels Firecracker, mit auf den Weg gegeben. Man ahnt, wie eng es im 12-Inch-Bereich mittlerweile ist. Der Ukrainer aus Konotop hat es trotzdem geschafft, die Aufmerksamkeitsspanne trotz mannigfaltiger Veröffentlichungen – ein Dutzend EPs innerhalb von nicht einmal zwei Jahren – extrem hoch zu halten. Und nun folgt die Geschichte, die eigentlich alles toppt: das sehnlich erwartete Debütalbum erscheint nicht einmal, sondern zweimal. Nun ja, eigentlich dreimal: Ein weiterer Longplayer erscheint Ende Mai unter seinem Pseudonym Vakula auf Firecracker. Dazu mehr im nächsten Heft. Dieses einmalige Triptychon ist jedenfalls ein weiteres Indiz für die ungemeine Kreativität des Ukrainers, doch vor allem auch die Karikatur der Aushöhlung von Erwartungshaltungen.
Auf Vedomir spielt Vityk virtuos seine komplette Stilistik aus. Von A-Z wirkt hier alles kompakt, komprimiert, dringlich und durchdacht. Musikalisch geht es hier von Siebziger-Jahre-Futurismus zu Steve Reichs Minimalismus über Detroits Verspieltheit hin zu House. Einflüsse aus UK-Bass oder Disco werden nur angedeutet aber nicht ausgereizt. Das alles manchmal in einem Song. Vedomir ist Vakula mit noch weniger Tanzdiktat und Hitverdacht. Die dunkle Seite der Nacht, hochmusikalisch und genialistisch. Und vinyl only.
Stream: Vedomir – Vedomir
Als „V“ macht Vityk hingegen genau das, was er scheinbar als Fingerübung so nebenbei raushauen kann. Tracks, die trotz ihrer Toolhaftigkeit komplex wirken. Der 13th District ist fragmentarischer, sampleorientierter und breaklastiger. Ein Ort, an dem man sich trotzdem gerne aufhält. Das Album könnte die unmittelbare Antwort auf Nicolas Jaars Space Is Only Noise sein. Allerdings mit viel mehr Motown-Anteilen. Schwarz und downbeatig. Aber auf seine Weise ebenso genial.
Spätestens jetzt – mit diesen drei Alben – wird Mikhaylo Vityk zu einer Art Hemmingway des House. Unfreiwillig oder nicht, es scheint fast so, als würde er mit seiner epischen Erzählweise allen Laptop- und Hobby-Produzenten, allen ehemaligen House- und Technolegenden den Spiegel vorhalten. In Zeiten, in denen andere Jahre für ein schlüssiges Konzept benötigen und das LP-Format scheinbar an Bedeutung verloren hat, befeuert der Ukrainer hier vielleicht einen Paradigmenwechsel: Elektronische Musik war selten spannender.
Stream: V – 13th District (Samples)