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FREISTIL März/April 2012

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Nicht oft hat man spontan den Wunsch, auf die Knie zu fallen und einen Song, der tief in der Seele berührt, immer wieder von vorne zu hören. Doch als beim ersten Durchhören des seit über einem Jahrzehnt geplanten gemeinsamen Albums von Maestro Will Holland alias Quantic und der ehrlichsten Soulsängerin aus dem Königreich, Alice Russell, als fünftes Stück eine traumhafte Pianolinie Platz macht für die Stimme und diese den Gospelklassiker „I’ll Keep A Light In My Window“ aus der tiefsten Seele kommend neu interpretiert, geschah im Soulsearching Studio genau dieses. Als Tochter eines Pfarrers, die ihre ersten Gesangserfahrungen nicht nur sonntags in der Kirche des Vaters machte, kann Alice Russell mit ihrer einzigartigen, bluesigen Stimme gar nicht anders, als ehrlich vom Herzen kommend eines ihrer Lieblingslieder zu einem Meisterwerk werden lassen. Vom unglaublich guten Arrangement und der erfrischenden Kombination aus Soul-Klassiker und kolumbianischer Band mal ganz abgesehen. Das Album Look Around The Corner (Tru Thoughts, VÖ: 02.04.2012) wurde nämlich im analogen Studio von Will Holland in Cali geschrieben und aufgenommen. Alice Russell und Quantic nahmen sich viel Zeit und tauschten Lieblingslieder aus Zeiten von Charles Stepney, Rotary Connection und Dorothy Ashby aus, davon inspiriert fanden die beiden zu einem ganz eigenen Sound und transportieren nun den Geist der vorgenannten Zeit mühelos in das Jahr 2012. Retromania? Mitnichten, diese beiden Ausnahmemusiker schwimmen hier auf keiner Welle, Will Holland hat diese höchstens vor zehn Jahre mit seinem Quantic Soul Orchestra selbst losgetreten, und produziert heute immer noch als Quantic Remixes, die frischer klingen und mehr wagen als manch anderes Clubfutter. Zuletzt sehr gut zu hören auf dem mit tiefen Bässen, gebrochenen und geraden techy Beats sowie Acid-Lines versehenen Remix für die Owiney Sigoma Band (Brownswood), der ein geradliniges House-Set wunderbar auflockern kann. Später dieses Jahr erscheint dann auch noch das vierte Soloalbum der sympathischen und auf dem Boden bleibenden Engländerin Alice Russell.

Genau dort bleibt hoffentlich auch der Folk-Soul-Sänger Michael Kiwanuka aus Nordlondon, der bereits letztes Jahr mit seinem „Tell Me A Tale“ (Communion) für ein Aufhören gesorgt hatte und nun sein Debütalbum Home Again (Universal) durch Non-Stop-Touring auch hierzulande vorstellt. Zu Recht führte der Mann die BBC-Liste Sound of 2012 an, Kiwanuka macht dort weiter, wo ein gewisser Bill Withers in den siebziger Jahren aufgehört hatte. Bodenständiger Rhythm & Blues, tolles Songwriting und auch immer wieder überraschend großartige Coverversionen wie zuletzt Led Zeppelins „Whole Lotta Love“, mal von einem komplett anderen Standpunkt aus gesehen, akustisch und mit Sitarklängen angereichert.

Weitere wichtige Alben und EPs, die viel Seele atmen und nicht nur zu Hause gehört werden können, im Schnelldurchlauf: BonoboBlack Sand Remixed (Ninja Tune), unter anderem mit Mark Pritchard, der klingt wie Massive Attack zu ihren besten Zeiten, toll! Robert GlasperBlack Radio (Blue Note), mit großer Gästeliste, unbedingt reinhören! José JamesNo Beginning, No End, fertig produziert, noch auf der Suche nach einem Label – ähm, wie bitte? Part-Time HeroesNightfalls (Wah Wah 45s), zeitlos gut, wie 4Hero es noch heute sind. Middlewood SessionsS/T (Middlewood Sessions), inklusive neuer Version von „Fallback“ mit vielen Streichern und live! Stan SmithThe Get Up Movement (Tokyo Dawn), cooler Rap aus Atlanta, die Beats produzierten unter anderem Soulparlor, und Daz-I-Kue ist der Kopf dahinter. Raren Funk aus aller Welt, in München liebevoll zusammengesucht, gibt es auf Movements 4 (Tramp), ebenfalls aus der Stadt an der Isar endlich wieder eine Future Sounds Of Jazz Vol. 12 (Compost, VÖ: 30.03.2012), vom Kollegen Reinboth klasse zusammengestellt. Und der Vollständigkeit halber nochmals hier erwähnt werden, muss Si Tew mit When Clouds Ran Away (Atjazz), welches gerade noch einmal veröffentlicht wurde. Zu Recht, sehr schönes Ding.

 


Stream: Rdio PlaylistMotherboard (März/April 2012)

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