Text: Max Dax
Erstmals erschienen in GROOVE 131 (Juli/August 2011)
Teil eins | Teil zwei | Drei Alben von Alec Empire
Alec Empire
Low On Ice
(Mille Plateaux, 1995)
Von der exzessiven Übersteuerung zur wattierten Bassigkeit ist es oftmals nur ein kleiner Schritt. Alec Empire nahm sein wichtigstes Soloalbum im Rahmen eines Islandaufenthalts 1994 in wenigen Tagen in stiller Einsamkeit auf. Die Radikalität der Aufnahmen und der Produktionstechnik strahlt bis heute. Empire hat seitdem ungezählte Tracks aufgenommen, darunter auch etliche, die ähnlich meditative Qualitäten wie die Musik auf diesem Album aufweisen. Aber nie wieder ein ganzes, derart kohärentes Album. „Man kann dieses Album nicht als MP3-Sammlung hören“, sagt der besessene Vinyl-Plattensammler heute, die Bässe seien zu tief. Wenn man so will, ist Low On Ice ein frühes Plädoyer für ausdifferenzierte Musik.
Atari Teenage Riot
Live at Brixton Academy
(DHR, 1999)
Zur ATR-Show in der Brixton Academy in London, am Ende einer großen Englandtournee gemeinsam mit Nine Inch Nails, weigert sich Sängerin Hanin Elias nach einem Streit, die Bühne zu betreten. Vor ausverkauftem Haus drehen die verbliebenen Musiker alle Regler auf Anschlag und konfrontieren das Publikum mit einer Stunde White Noise – ohne Gesang und Songstrukturen. Es gibt Leute, die dieses Album als „unhörbar“ bezeichnen. Aber das sagte man über Lou Reeds Metal Machine Music einst ebenfalls.
Atari Teenage Riot
Is This Hyperreal?
(DHR, 2011)
Nach dem überraschenden Comeback von Atari Teenage Riot 2010 erscheint jetzt das erste Studioalbum seit 1999. Von der Originalbesetzung ist nur noch Alec Empire dabei, an seiner Seite spielen jetzt die Sängerin Nic Endo und der MC Kidtronik, sodass optisch der Eindruck entstehen könnte, die beiden seien wie für Rollen besetzt worden. Die Musik indes spricht eine andere Sprache. Die Aggressivität früherer ATR-Alben wird erfolgreich abgerufen, aber neue Soundelemente sorgen für Fortschritt: Punkzitate ersetzen die einst stilprägenden Breakbeats, der verzerrte Sound klang noch nie so gewaltig. Bester Moment: Im Titelstück ruft Alec Empire durch ein Megafon in seiner Muttersprache zum Sturm des Reichstags auf. „Achtung, Achtung! Hier spricht Atari Teenage Riot. Sie sind verhaftet! Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus.“