Zwischen Argentiniens Tango und der nordeuropäischen Seele muss eine gewisse Verwandtschaft existieren. Das würde eine Erklärung für den Erfolg des französischen Tangoterzetts liefern. Diese Mischung aus Erotik, Stolz, Verlust und Schmerz sowie das daraus resultierende, nahezu manische Hochgefühl ist fest verankert in der Schwermut der nordischen Romantik. Oder, um es mit Gilles Peterson zu sagen: „Ich werde nie das phänomenale Feedback vergessen, das ich auf beim ersten Mal Spielen von Gotan-Songs im Radio erhielt.“ In dieser Form hatte man den Tango bisher noch nicht gehört, wie ihn Gotan Project auf dem Debüt <i>La Revancha Del Tango</i> spielten. Dieser Effekt ist beim dritten Album natürlich verpufft, auch wenn es darüber hinaus noch ein sehr schönes Livealbum gab, das ihre Spielweise noch mal um eine Nuance veredelte. Außerdem steht diese Form der Reproduktion von authentischer Liveatmosphäre mit elektronischen Mitteln seit mindestens einem halben Jahrzehnt unter akutem Loungeverdacht. Und jetzt wiederhole ich mich: Trotzdem hat das ungefähr so viel mit Lounge zu tun wie AC/DC mit Hardrock-Cafes. Jeder passionierte Kaffeehaus-Gänger sollte trotzdem aufatmen, wenn diese Variationen aus den Boxen schallen. Denn auch dort gehört diese Musik hin, gerade wenn mal kein Tangospieler vor Ort sein sollte. Natürlich kann man von <i>Tango 3.0</i> mehr erwarten. Allein der title verspricht trotz ironischer Brechung mehr Reduktion, mehr Innovation. Ein neues Level. Es gibt einzelne Americana-Elemente, die Philippe Cohen Solal aus seinem Solal-Projekt einfließen lässt, außerdem Walzer, New Orleans (Dr. John veredelt den Eröffnungssong) und Rockabilly. Alles nicht neu, trotzdem wird man nicht müde, diesem Sound zuzuhören.