Die unbeabsichtigte Pause dieser Kolumne in der letzten Ausgabe der <i>Groove</i> hatte mit dem Leistenbruch des Autors zu tun. Ausgelöst wurde er allerdings nicht vom Schleppen von Vinyl, sondern vom neuen Schrank der Tochter. Und selbst wenn ersteres der Grund gewesen wäre – digitales Auflegen kommt nicht in Frage. „Freistil“ hält weiterhin die Fahne hoch für Vinyl und Audiofiles im Gegensatz zum DJ-Set via Computer. Kommen wir damit direkt zu einer der wichtigsten Veröffentlichungen der Saison, <b>Billy Love</b>s „Mellogettomental“-EP (Sound Signature): Vier Songs, die von Theo Parrish produziert wurden und so viel Seele sprechen lassen, dass man nicht umhin kommt, einen Vergleich zu Marvin Gaye zu ziehen. Wenn der noch leben würde, könnte er 2010 genau so klingen. Ein weiterer Höhepunkt des Frühlings ist die Remix-EP für <b>Omar</b>. Ganze zwei Jahre musste der eingefleischte Fan nun warten, bis auch er einen der besten Remixes von <b>Henrik Schwarz</b>, nämlich seine Version von „Feeling You“ (Peppermint Jam) inklusive Stevie Wonder im Duett mit Omar in der schnelleren Liveversion, in den Händen halten konnte. Dazu gesellen sich nun noch Remixes von <b>Show-B</b>, <b>Andre Lodemann</b> und <b>Triad</b>, wobei erstgenannter neben Schwarz den silbernen Pokal verdient hat für seinen beseelten und mit einer aus dem Hintergrund kommenden Acpop-Linie versetzten Stomper.<br/><br/>
An goldene Talkin-Loud-Zeiten der Nuyorican-Soul-Ära erinnnert <i>Remixes</i> (Brownswood) von <b>Gilles Petersons Havana Cultura Project</b>. Hier wurden weder Kosten noch Mühen gescheut, und dazu kommt das nahezu immer sichere Händchen bei der Auswahl der Auserkorenen. Louie Vega geht „Roforofo Fight“ mit voller Latin-Breitseite an, Rainer Trüby vermengt den Jazz von „Afrodisia“ sehr gekonnt mit House, MJ Cole, Solal, Mocky und Marc Mac überzeugen mit ihren jeweiligen Trademark-Sounds, und ein bisher noch eher unbekannter Name, Owiney Singoma, überzeugt mit technopopen Elementen im Downtempo-Bereich. Den Vogel abschießen tut aber Michel Cleis mit seinem zehnminütigen, immer wieder durch gekonnte, völlig aus dem Beat gehende Pianobreaks unterbrochenen Meisterstück, einem Remix von „Rezando“. Absoluter Hit mit Crossover-Potenzial für große Floors sowie intime Clubnächten unter freiem Himmel.<br/><br/>
In der Zwischenzeit kann man sich auch die <i>Brownswood Bubblers Five</i> (Brownswood) mit einer weiteren spannenden Mischung an neuen Namen, deren Musik Peterson entweder direkt zugesteckt bekam oder selbst entdeckte, zu Gemüte führen. Herausragend sind hier Trilogy mit ihrem fast schon gospelartigen „Brother Don’t Cry“ und die Jazzstimme 2010, <b>Nailah</b>, mit „Sacred“. Die zweifache Mutter vertreibt auch völlig sympathisch unabhängig ihr erstes eigenes Album, <i>ConJazzNess</i> (NaiMuse) auf ihrer Webpage naihmuse.com. Sehr schöner Souljazz aus Los Angeles. Ebenfalls stark vom Jazz beeinflusst sind Andrea Begninis <b>Mop Mop</b>, die mit den <i>Rituals Of The Savage</i> (Infracom) ihr zweites Album für das Frankfurter Label präsentieren. Ein fiktiver Soundtrack, der sehr frisch zwischen Afrika, Lateinamerika und den Grundpfeilern Jazz, Soul und Funk schwingt. Ebenfalls sehr hörenswert sind, in ungeordneter Aufzählung, die folgenden: <b>Stephan Steigleder</b>s <i>Now’s The Time</i> (Sonorama), eine Hommage an den deutschen Jazz der Jahre 1956 bis 1963, außerdem die sehr liebevoll und detailliert ausgestattete Wiederveröffentlichung der <i>A Message From The Tribe-Compilation</i> (Souljazz) rund um das <b>Tribe</b>-Projekt aus Detroit, das gerade von Carl Craig reanimiert wurde mit den Originalmitgliedern auf <i>Rebirth</i> (Planet E). Souljazz Records beweisen einmal mehr, warum sie für viele das Compilationlabel Nummer 1 sind. The <b>Souljazz Orchestra</b> aus Kanada sind mit <i>Rising Sun</i> (Strut) beim dynamischen Afrojazz angekommen. Nick Woodmansey aka <b>Emanative</b> aus London mit einem nach vorn blickenden Jazzverständnis und einer Mischung aus neuen Stücken wie dem tollen „Find You“ mit Ausnahmetrompeter Matthew Halsall sowie Remixes von K15 oder Soundspecies auf „Time“ (Futuristica). Auch in meiner Box finden sich die New Yorker <b>The Hundred In The Hands</b> und „Dressed In Dresden“ (Warp) mit schickem <b>Kyle-Hall</b>-Remix – meiner zwölfjährigen Tochter gefällt das Original mit dem Gitarren-Wavesound besser. Ich finde bepopes super. Und <i>uplifting soulful</i> wird es bei <b>Tone Control</b>s „Take Me Away“ (Tone Control) im <b>Jose-Carretas</b>-Remix.