Die Trommeln klopfen, der Meister der perkussiv markierten Leerstellen kommt: Wenn diese GROOVE draußen ist, hat Shackleton in München und Berlin gespielt. Wie das wohl war? Dass diese Konzerte auf Betreiben vom Tied and Tickled-Trio-Member Schege stattfinden und zum Beispiel in Berlin von einem ansonsten eher auf Indie- und Weird-Folk-Leute spezialisierten Konzertveranstalter organisiert werden, sind so kleine Hinweise. Kann mit Dubstep vielleicht endlich mal wieder eine aufregende, magenbetäubende Bassmusik der Extremspezialistenfalle entkommen? In Shackleton hat die Musik zumindest einen Agenten, auf den sich von Ricardo Villalobos (hat schon remixt, und bestimmt nicht wegen der Kohle) über Alt- und Neo-Dubber bis hin zur Dubstep-Szene selbst viele einigen können. Auf „Hamas Rule“ (Skull Disco/Import), der letzten Veröffentlichung seines eigenen Labels Skull Disco, zeigt der Produzent denn auch den Weg heraus aus einer Dub-orientierten Beatwissenschaft: führt der Track doch in die komplizierte Rhythmik des Nahen Ostens. Mit Dubstep generell kommt aber auch sonst wo das rhythmische Fundament wieder. Auch in der editierten Musik zum Hören finde ich zurzeit die Überraschungen eher in der Beat-Arithmetik wieder, als dass ich auf Killer-Soundflächen dahingleiten könnte oder es Neues aus Dronehausen zu vermelden gäbe. Sven Kacirek zum Beispiel: Der Schlagzeuger spielt auf The Palmin Sessions (Pingipung/ Kompakt/A-Musik) mit Jazz-Besen auf Holz und Papier, reichert das mit Marimba und Glocken an, und so entstehen diese leicht kindlichen, introvertierten, aber doch munteren Rhythmus-Felder, die sich ständig selbst verschieben. Der title seines Pingipung-Debüts ergibt sich aus dem Sitz seines Studios in der ehemaligen Palmin-Fabrik in Hamburg. Kinder mit Schlagzeug-Ambitionen sind früher ja sogar erst von Musiklehrern angenommen worden, wenn sie Bruchrechnen beherrschten – so die alte, dumme Pädagogen-Schule. Da langweilt man sich als gestandener Electronica-Produzent natürlich rasch mit den ewig gleichen Mustern. Was der bei Pingipung involvierte Springintgut aus seinen Schlagzeug-Stunden gemacht hat, steht in den Alben-Reviews. Und auch Thomas Belhom fokussiert auf Cheval Oblique (Apparent.extend/Hausmusik) auf Schlagzeug und Perkussion. Der ehemalige Pyrotechniker der spanischen Spektakel-Truppe La Fura Dels Baus sitzt zum Geldverdienen für Tinderstick Stuart Staples an den Schlaggeräten. Hier formt er aus den unterschiedlichsten Traditionen wie Gamelan, Space Jazz und Wüsten-Folk seinen eigenen Entwurf einer angereicherten Perkussion. Tussle aus San Francisco hingegen suchen mehr den cleanen Loop, der auf Telescope Mind (Smalltown Supersound/Rough Trade) allerdings weder selbstgefällig noch altbekannt klingen darf. Zwei Geschichten speisen sich deutlich in diesen Soundstrom ein: Krautrock und New Yorker Post Wave Funk. Dennoch schafft die Gruppe eine selten gehörte Hypnose aus trockenen Patterns. Lustig und einleuchtend: Sie tourten im vergangenen Jahr ebenso mit Karlheinz Stockhausen wie auch mit !!!. Doch vom Megatrommeln auf dem Tussle-Mordsstück „Elephant“ nun runter zum gemäßigten Flow. Wie aus dem Nichts, pardon, dem langsam sich wieder füllenden Sammelbecken des instrumentalen HipHop tauchen Block Barley mit Dead At The Control (Hong Kong Recordings/Groove Attack) auf. Seine Loop- und Samplekunst beruht auf traditionellen HipHop-Werten, aber der Hamburger Sascha Hohn kann das eben einfach supergut: Und so entsteht ein süßes, bedröhntes Ziehen die Straße runter. Dafür muss ich keine neuen Worte erfinden, das ist echt psychedelisch und muss sich an keiner Stelle dafür rechtfertigen. Und um die Sache mit den supremen Schlägen abzuschließen: Im Herbst bereits ist auf Bomb Mitte und ohne Vertrieb die 7“ Swampy von Food For Animals erschienen. Derbe! Vulture Voltaire und Ricky Rabbit aus Baltimore kratzen die letzten Jahrhunderte HipHop aus dem Geist der Party und aus multiplen Layern der Paranoia raus. Das strengt an und vor allem: erschüttert. Ob da wieder Gras drüber wächst?