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Electronica

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In der Glut des zurückliegenden Sommers blieb nur die nackte Existenz. Das evolutionsgeschichtlich erste Mittel zur Verbindung mit anderen Menschen, Gottheiten etc. ist die Stimme, und wenn sie so klingt wie die von Susanna Karolina Wallumrød auf „Melody Mountain“ (Rune Grammofon/Cargo), dann wird alles Unfassbare spürbar. Die in Oslo lebende Sängerin tritt gemeinsam mit dem Tastentypen Morten Qvenild, Ex-Keyboarder bei Jaga Jazzist, unter dem märchenhaften Namen Susanna And The Magical Orchestra auf. Auf ihrem zweiten Album spielen sie ausschließlich Coverversionen. Magisch mutet vor allem das Zusammenspiel an zwischen Susannas Sopran, dessen Expressivität nur leichte Andeutungen benötigt, und Morten Qvenild: Sein Stil klingt bei aller Zurückgenommenheit nach barocker Musik in seiner so eitlen wie sakralen Fleischlichkeit, egal ob er sich gerade mit einem Moog, einer Kirchenorgel oder einem Spinett abgibt. Auch OOIOO rufen auf „Taiga“ (Thrill Jockey/Rough Trade) das Übersinnliche an. Monotonie durch geloopte Perkussion steigert dieses Quartett aus renommierten japanischen Noise-Zirkeln mit tribalistischen Gesängen und schafft sich daraus einen eigenen, sogar vor-sprachlich anmutenden Kult, dem sich auch das zehnköpfige Rauhan Orkesteri aus Finnland mit der CD „Syllissain Oot“ (Ache/A-Musik) anschließt. Improv-Musik, so schön wie von Schnecken zerfressener Fliegenpilz in der Abenddämmerung.
Ähnlich anstrengend zu hören ist der Zappelphillip-Funk von Sun OK, Papi K.O. Auf dem Debüt „Orchestre Philharmonok“ (Sonig/Rough Trade) shoutet ein durchgeknallter japanischer MC zu hektischen Beats aus der Rappelkiste. So versichern sie sich, gehört zu werden. Ecstatic Sunshine sitzen in der Nähe am Lagerfeuer und brauchen auf „Freckle Wars“ (Carpark/Cargo) lediglich zwei elektrische Gitarren, um ihre unmittelbare Umwelt wieder mit allen Menschen zu versöhnen. Mit der wie immer hinreißenden folky Popmusik von F.S. Blumm auf „Summer Kling“ (Morr Music/Hausmusik/Indigo) bleibt die universale Harmonie hergestellt. Sie wird auch nie nur ansatzweise gestört, wenn der Lüneburger Peter Presto auf „Schön, dass du mal wieder reinhörst…“ (Pingipung/Kompakt) dubby Electronica spielt, als wäre er Hauskomponist bei ’nem Kuschelparty-Veranstalter.
In diesem Zusammenhang seien zwei Compilations erwähnt, die zwischen protestantischem Christentum, rationalistischem Absolutismus und hepopnischem Dröhnen hin und her pendeln wie die Naturgewalten zwischen Sommer und Herbst. „Touch 25“ (Touch/Cargo) fährt zum 25-jährigen Jubiläum des englischen Electronica-Labels mit allen Stars des forschenden Digitalismus auf: Rafael Toral, Oren Ambarchi, Fennesz, Pan Sonic… erweisen sich mal wieder als auserwählte Weisen der CPU; es wäre langweilig, wenn nicht so erschütternd gut. Hanno Leichtmanns Ambient-Album „Nuit Du Plomb“ (Karaoke Kalk/Hausmusik) erweist sich als derart durchgearbeitet wie seelentief, dass man sich wünschte, er wäre in dieser exklusiven Riege schon mit dabei. Auch „Bip_Hop Generation Vol. 8“ (Bip_Hop/Target) arrangiert durchgehend derart gutes Zeugs, dass hier stellvertretend für alles auf Murcofs „Constelaçion“ verwiesen sei: Ein zwölfminütiges Drone-Epos beweist nachhaltig die Theorie, wonach der Mensch aus dem Wasser kommt. Das Dröhnen schwillt stärker an, wenn Ashis Mahapatra seine Schichtungen aus Gitarrenwänden und Ambient-Landschaften auf „Orange Of“ (True-False/HYPERLINK "http://www.true-false.net/"www.true-false.net) erklingen lässt. Dann bleibt nur noch das Spiel mit der stürmischen Gischt, wie es die bepopen Finnen Brothomstates vs. Blamstates auf der 12“ „Brothomstrain vs. Blamstates“ (Narita/Hausmusik) spielen. Die Vibes sind Warehouse, die Sounds dubby und dubsteppy, und so kittet eine universelle Liebe den harten Bruch zwischen ausklingender Sommerwärme und peitschendem Sturm. Es wird dunkler, wir brauchen uns wieder. Love.

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