Was war das damals neu. Brach in die hedonistische Feierszenerie ein wie ein gutes Teil ins vertrocknete Raverhirn und verstörte die meisten, die eigentlich nur ungestört von Wochenende zu Wochenende leben wollten. Erweiterte die Perspektive auf Realität und vor allem auf deren negative Seiten. Hatte sich Techno mit „Friede, Freude und Eierkuchen“ nicht gerade lösen wollen vom verkopften, deutschen Selbsthass der Linken? Die Kinder der Siebzigerjahre, zumindest die, die antiautoritär und mit Slime und Konsorten aufgewachsen waren, hatten mit Techno den Antagonisten, den reflektionsfreien Spaß für sich entdeckt. Und dann diese Störenfriede. Trotzdem, ATR mussten wie auch Slime einen weiten Spagat aushalten. Wie kann man Partymusik („Party“ wahlweise auch ersetzbar durch „Riot“) machen und gleichzeitig kritisch sein? Ist der Selbstbetrug nicht automatisch eingebaut, die Parolen nur stylisch? Ging es um Riot oder um tatsächliche Veränderungen? Sicherlich lenkten ATR mit manchen Tracks wie „Hetzjagd auf Nazis“ oder später „Western Decay“ die Aufmerksamkeit auf wichtige Brüche der eigenen Gesellschaft, doch vermittelt wurde das Ganze zeitgemäß im Koncontent:encoded der sich selbst immer schneller selbst verdauenden westlichen Postmoderne. Was keinesfalls heißen soll, dass sie nicht immens gerockt haben und – abgesehen vom teils scooteresken Sprechgesang – musikalisch nicht lange on top waren. 17 Tracks, die einen die Tüte in den Ascher und die Faust in die Höhe werfen lassen.
Atari Teenage Riot 1992-2000
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