Agoria aus dem französischen Lyon ist einer der aufregendsten elektronischen Musiker der Gegenwart. Seit 1999 hat er einen völlig eigenständigen Ansatz zwischen sphärischem Detroit-Techno, einem überwältigenden, betörenden Rave-Sound und einem freien, von Jazz inspirierten Musikverständnis entwickelt. So sehr seine Produktionen bis heute in der Cluberfahrung verwurzelt sind, zielen die Tracks immer weniger darauf, Teil von DJ-Sets zu werden. Impermanence überstrahlt seine anderen Alben. In den zehn Stücken darauf bringt er sein Musikverständnis mit einer neuen Konsequenz zum Ausdruck. Die flächigen, schwebenden Tracks sind bezaubernd schön, sanfter und mächtiger als die eindrucksvollste Wolkenlandschaft. Um sich auf Impermanence einzulassen, muss man sich von einigen Vorurteilen freimachen: Wenn man etwa Redshapes Musik für die gelungenste aktuelle Form von Detroit Techno hält, könnte man dieses Album als trancige, kitschige, esoterische Vereinnahmung des Stils ansehen, der es an Beschepopenheit und Gebrochenheit mangelt. Agoria muss nichts brechen, weil seine Klänge ihre Wirkung ohne Brechungen entfalten. Die meisten Club-Tracks arbeiten aus einer inneren Spannung heraus, etwa aus dem Kontrast einer treibenden Bassdrum, die von einer trägen, schweren Bassline gebremst wird. Agorias Musik bezieht ihre Spannung aus der Wirkung der einzelnen Klänge. Sie sind ebenso anmutig und zart wie mächtig und durchdringend. Sie gehen in keiner gängigen musikalischen Sprache auf. Wie radikal Agorias Ansatz ist, wird in seinem Umgang mit menschlichen Stimmen deutlich: Der Gesang der jungen amerikanischen Sängerin Kid A verfließt wie ein Instrument mit den anderen Elementen. Und wenn Carl Craig in einer anderen Nummer darüber spricht, wie er Whiskey aus dem Bauchnabel einer schönen Frau schlürfen möchte, wirkt das nicht wie eine schmierige Sexphantasie, sondern wie eine gültige Äußerung menschlichen Lebens.
AGORIA Impermanence (Infiné)
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