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FENNESZ Black Sea (Touch)

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Der Mond hatte vorhin, es muss eine Ewigkeit her sein, das Wasser herangeschoben. Unaufhaltsam hatte es alles zugedeckt und eingeebnet, da war nur noch eine große glatte Fläche. Doch jetzt zieht der Mond das Wasser wieder zurück nach draußen ins Dunkle, dorthin, wo es herkam. Und mit dem Einsetzen der Ebbe treten nach und nach die winzigen Brocken und Brüche zutage, die eben noch unter dem Spiegel gelegen hatten. Gluckernd versickert das Wasser in diesen Strukturen. Es rauscht, und es verrauscht, und dann ist alles vorbei, und bevor es wieder von vorne beginnt, herrscht kurz Stille. Da sind zwei Spuren: ein Weg, der irgendwo draußen im Schlick versinkt.

Der erste Beweger dieser Flut, die hier in Zeitlupe anbrandet und abebbt, ist Christian Fennesz, geboren vor 46 Jahren in Wien, ein Gitarrist, der seinem Instrument das antut, was John Cage einst dem Piano antat: er präpariert es, er demontiert es, er atomisiert seinen Klang, um ganz neue Klänge zu finden. Der Gitarrist Keith Rowe hatte in den späten Sechzigern mit so was angefangen, später gab es, neben vielen anderen, das ehemalige Godflesh-Mitglied Robert Hampson mit seinen Projekten Loop und Main, heute finden sich der Australier Oren Ambarchi und der Portugiese Rafael Toral, die beide, wie Fennesz, ebenfalls auf Touch veröffentlichen. Anders aber als die vor allem ernsthaften Werke der meisten dieser Kollegen waren die zeitverbiegenden Klangpartikel-Ströme, die Fennesz aus seiner Gitarre hervorbrechen ließ, lange auch ganz entschieden Popmusik: Irgendwo hinten in den anschwellenden Drones schlängelten sich Mikromelodien, der Gestus war uplifting-melancholisch, und auf dem viel gefeierten Vorgängeralbum Venice von 2004 sang sogar David Sylvian mit seiner elegant gebrochenen Stimme.

Allein: Das ist vorbei. Black Sea, veröffentlicht nach einer angemessenen Schaffenszeit von fast fünf Jahren, wendet sich ganz ohne Stimmen dem Gravitätischen zu, dem Schweren, dem Dunklen. Aber keine Sorge: Dieser Solipsismus ist dieser Tage nicht deprimierend, sondern angemessen. Man muss diese Musik nur sehr laut hören. Nicht nur, weil sich erst dann ihre Wucht und ihre Feinziseliertheit erkennen lassen, wo die Klangflächen im porösen Gestein versickern und es immerfort knirscht und schabt und schiebt. Sondern auch, weil ihre majestätische Schwermut erst dann den Hörer gänzlich umhüllt und ihn so vor geckenhaft guter Laune schützt. Damit erscheint diese Platte wie der dritte Baustein eines Zyklus, in dem jetzt nur noch eine Jahreszeit fehlt: Wenn der Vorvorgänger Endless Summer 2001 so gleißend melancholisch war wie ein knochentrockener Hochsommer-Tag, und Venice drei Jahre darauf so überreif melancholisch wie die Schönheit, die zerfällt, dann ist Black Sea so düster melancholisch wie die Mittwinter-Nacht, in der Pulverschnee über eine grobe Asphaltfläche weht. Eine Platte eben für diese Tage.

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