Willkommen in der Welt von Theo Parrish. Für manche Zeitgenossen ein schier undurchdringlicher Gegenstand. Ich kann mich zum Beispiel an einen Angestellten in einem Kölner Schallplattenfachgeschäft erinnern, der versicherte, dass er von der Ästhetik dieses Grandseigneurs Aggressionsschübe bekäme und das schleppende Tempo für Wahnzustände seinerseits verantwortlich sei. Der arme Mann hat das Problem wahrscheinlich bis heute nicht überwinden können. Aber selbst ausgefuchsten Experten für Öffentlichkeitsarbeit fällt es leichter, einen Aal an die Wand zu nageln, als der Musik des Ausnahmeproduzenten einen gut sitzenden Hut zu verpassen. Theo Parrish ist ein Zwitterwesen aus Chicago und Detroit, Soul und Elektronik, Vergangenheit und Zukunft. Seine Musik schuldet den außerirdischen Exkursionen von Sun Ra und Miles Davis wenigstens den gleichen Anteil wie der fiebrigen Stimulanz eines Lil’ Louis oder der süßen Melancholie von Larry Heard. Verleimt mit all den zerfledderten Funk- und Discoplatten der US-amerikanischen Historie wird ein Stuhl daraus. Der trägt in diesem Fall die Bezeichnung „Sound Sculptures“ statt wie ursprünglich geplant „Stereotype“. Passt auch besser, da das Ding tatsächlich ein Patchwork aus all den unterschiedlichen Launen seines Autors ist.
Kürzlich bereits als Volume 1 erschienen und auf drei Maxis sowie die schöne Taktilität eines Klappcovers verteilt, folgt jetzt der zweite Streich in Form einer Doppel-CD. Die beinhaltet neben dem Vinylmaterial insgesamt 13 fast ausschließlich neue Taten („Levels“ erschien bereits 2005), die eher an Parrishs Rotating Assembly-Bogenführung anschließen, denn an seine roheren Beats. Detroiter Rhythmus und Blues, die den glatt polierten Milchkaffeebildnissen der US-amerikanischen Mainstreamkultur den Stinkefinger zeigen. Parrishs bissige Kommentare zum Zustand der Nation zeigen sich dann auch wieder in der Namensfindung à la „Jesus Was Colored“ oder dem Sun Ra zitierenden Mash-Up „Black Music/I Love You“.
Apropos Ruffness, die findet sich natürlich auf Stücken wie „Synthetic Flemm“. Seinerseits mit dem Soundingenieur Omar-S an den Mischpultreglern, wird hier rußige Acpopunterhaltung ohne enervierende Zwirbelästhetik geboten. Im Wechsel mit der Saugkraft von „The Rink“ (ein Fingerzeig in Richtung Ugly Edit), der Wärme spendenden Endlosumarmung „Galactic Ancestors“ und dem brillanten „Soul Control“ zeigt sich Theo Parrishs wahres Potenzial. Die Versprechungen, die er über die Jahre hin auf den mittlerweile zu Klassikern avancierten frühen Sound Signature-Maxis machte, kann er ohne große Muskelspielchen einlösen. Im Gegensatz zu vielen seiner treuen, wohlmeinenden Schüler, die mit ihren Samples afroamerikanischer Musik teilweise wirklich „silly, weak, and tired“ klingen, bleibt Parrish stets an der Evolution des Status Quo interessiert. Ein Lebenselixier.