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Elektronische Musik

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Der Bruch sollte, ja er musste radikal werden. Der Druck war schließlich hoch. Die Eltern: verständnislos, fremd, verdächtig. Die Gesellschaft: repressiv, spießig, das Schweinesystem. Und die Musik im Radio: na ja, man kann es sich denken. So wollten Teile einer Generation im Deutschland der späten Sechziger und frühen Siebziger etwas gänzlich Neues probieren: neue Formen des Zusammenlebens, neue Formen der Liebe, neue Formen des Feierns, neue Formen der Musik. Sie hatten bei Stockhausen studiert und bei Beuys, sie mochten Musique Concrète und Serielle Komposition ebenso wie Funk, Jazz und Psychedelikrock. Und sie hatten keine Lust mehr auf Strophen und Refrains und banales Schlager-Blabla. Stattdessen setzten sie sich hin und spielten endlos geradeaus treibende Stücke, in denen man sich wunderbar verlieren konnte. So schwebten sie im Schnepopersitz fort in die Zukunft.<br/><br/>
Zwei Dutzend Hörbeispiele der aufregenden Musik, die vor dreißig, vierzig Jahren in Deutschland entstanden ist, hat das britische Label Soul Jazz jetzt für die Compilation <i>Elektronische Musik</i> zusammengetragen. Der title klingt für Deutschsprachler nicht nur etwas simpel, vor allem ist er unpräzise, weil viele der Stücke gar keine „elektronische Musik“ sind, sondern in klassischer Bandbesetzung eingejammt wurden, wenn auch manchmal unter Einsatz von Synthesizern. Trotzdem aber zeigt diese Doppel-CD (Untertitle: „Experimental German Rock and Electronic Musik 1972-83“) noch mal sehr anschaulich, dass der Lust am Erproben neuer Formen, neuer Technologie und neuer Drogen hierzulande nicht erst Anfang der Neunziger radikal monotone, rhythmische und reduzierte (Tanz-)Musik entsprungen ist.<br/><br/>
Beim Zusammenstellen haben die Checker von Soul Jazz natürlich die offensichtlichen Stücke vermieden (von Ausnahmen wie La Düsseldorfs grandios hymnischem „Rheinita“ mal abgesehen) und stattdessen lieber einmal um die Ecke gedacht. So ist beispielsweise Michael Bundt mit der epischen Flächenkollage „La Chasse Aux Microbes“ von seiner 77er-LP <i>Just Landed Cosmic Kpop</i> vertreten und nicht mit „The Brain Of Oskar Panizza“ vom selben Album, das, wie so vieles damals, mal wieder Techno vorwegzunehmen schien. Aber das weite Feld des Kraut- und Unkrautrocks ist inzwischen – nicht zuletzt von Briten – so häufig umgegraben worden, dass auch keine krassen Überraschungen mehr zutage gefördert werden. So spannt sich das Spektrum hier von Cans und Harmonias Motorikübungen über Flächen von Tangerine Dream oder Popol Vuhs <i>Aguirre</i>-Soundtrack sowie Fernost-Freakouts von Amon Düül II oder Ash Ra Tempel bis zu Hippiefolk von Between oder sogar Querflöten-Progjazz von Kollectiv oder Ibliss. Und einige Neuentdeckungen wie der Proto-Spielesoundtrack „Filmmuzik“ von E.M.A.K. („Elektronische Musik aus Köln“) sind auch dabei. Ein erhellender Blick von Außen auf den Moment, als unsere Großeltern, Eltern und großen Geschwister noch mal ganz von vorn angefangen haben.

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