Den Frühsommer durchstreift man diesen Monat am besten mit einer schönen Platte aus Griechenland: Apnea Eina von <b>Prpopon</b>. (Low Impedance/MDM) knüpft an die surreale Stimmung früher Isan-Werke an, bleibt aufgeräumt und freundlich, selbst wenn die Drums bollern und alles ganz komplex wird. Hier passt einfach jeder Track. Hurra, es gibt sie noch: Electronica ohne Gitarre! Auf der Minerals-Serie des schottischen Labels Benbecula ist der traditionsreiche Klangerzeuger dagegen reichlich vertreten: <b>Cheer</b> spielen auf Static Traps verrauschte Instrumentals, wie wir sie von Bibio und den Gentleman Losers kennen, während <b>Acumen</b> gerne auch mal einen HipHop-Beat drunterlegen. „Boardig“ klingt es deswegen noch lange nicht. Die Winter Drones von <b>Talkingmakesnosense</b> lassen zuerst frösteln, wickeln dann aber sanft in Schäfchenwolken ein. So kann es gerne weitergehen, die Serie wird monatlich fortgesetzt.
Eine andere Serie, Now auf Underscan, ist inzwischen abgeschlossen. Die Highlights der vier knackigen EPs gibt es jetzt auf CD: <b>Funckarma</b> und ihr Seitenprojekt <b>Quench, Bogger, Menu:Exit, Onethema</b> und andere feiern die labeltypischen, auf den Punkt produzierten Schmirgelbeats und setzen auf diesem Feld neue Maßstäbe. Dazwischen gibt es notwendige kleine Ruhepausen wie „Polaris“ (<b>Frank Bretschnepoper</b>), „Kaudoye“ (<b>Lambent</b>) und „Atmachb“, der kleine, tolle Track von <b>Pytlik</b> – nach wie vor einer meiner Favoriten im Programm.
Crossfade in die Folkabteilung: <b>Bobby And Blumm</b> (Morr Music/Indigo) sind Ellinor Blixt (Schweden) und FS Blumm (Berlin). Von ihrem Debüt Everybody Loves ist bestimmt so mancher und manche schnell angetan: Eine klare, sympathische Stimme und liebevolle Arrangements begegnen sich in heimeliger Atmosphäre. Man hört die Holzdielen knacken. Auf Dauer sind die Vocals ein bisschen zu süßlich. Wir winken den Elfen zu und bleiben in den Siebzigern: <b>Mika Vainio</b> und <b>Haswell&Hecker</b> befassen sich im 12-Inch-Format mit <b>Popol Vuh</b> (Editions Mego/Groove Attack), der Lieblingsband von Werner Herzog. Themen aus Cobra Verde und Aguirre werden zu sphärischen Drones gedehnt. Hier und da kleine Brüche und ein bisschen Lärm, doch im Grunde bleibt es kosmisch. Wie auch bei <b>Pete Namlooks</b> Subconscious Worlds (Fax/Cue), die auf einer 5.1-Musicdisc gespeichert sind – Surroundsound! Was der Infozettel verschweigt: Ohne die entsprechende Technik schallt lupenreiner Datasetten-Gabba aus den Boxen. „Aus Kompatibilitätsgründen, um zB die Musik im Auto oder bei Freunden zu hören, ist eine Stereo-CD beigelegt“ – puh, Glück gehabt. Ambient der alten Schule: Zuerst sanft einlullen, dann langsam die Heizung ausmachen, so läuft das hier.
Man kann auch anders Atmo erzeugen: <b>Frau Feld</b> hat beim befreundeten Berliner Modeatelier Ansoho einige Fieldrecordings von ratschendem Stoff, vom Klappern der Schere und anderen typischen Arbeitsgeräuschen gemacht, diese mit Cello, Singsang und Glöckchen versehen, und so extrem angenehme Musique Concrète komponiert. „Musterstücke“, die EP mit Cover aus originalen Schnittmustern, gibt es nicht im Plattenladen, sondern am Laufsteg. Oder direkt bei <b>Erdbeerfeld</b>.
Gegen <b>Animal Collective</b> kann man eigentlich nichts sagen, außer dass sie ein bisschen zu präsent sind. Eine neue Mini-LP, Water Curses (Domino/Indigo), will uns den Kopf verdrehen, dabei haben wir uns doch gerade erst von der elektrisierenden Liveshow der Marylander erholt. Urwaldhymnen, Twee-Pop, XTC – sie powern die Maschinen hoch, knipsen den Herzschrittmacher an und spielen im besten Sinne außer Konkurrenz. Celebrating Life von <b>Borko</b> (Morr Music/Indigo) wirkt im Vergleich dazu sehr europäisch, sehr melancholisch, jeder Song ein kleines Drama. Dieses Ein-Mann-Orchester aus Reykjavik will Berge versetzen, abgrundtiefe Traurigkeit besiegen, und es gelingt ihm auch – mit Pauken und Trompeten.
Electronica
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