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The Dead Bears

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Jochem Peteri ist ein wunderbarer Staubsauger. In den späten Achtzigern von der Kulturrevolution House bis ins Mark getroffen, inhalierte der Holländer den Kanon des Wahren, Schönen und Guten in schmutzigen Lagerhallen und als Clubs getarnten Schwitzhütten. Das persönliche Referenzsystem ist eindeutig. Die Ästhetik der Motorstadt aus Übersee – selbst ein Potpourri unterschiedlichster Einflüsse – dominiert den spartanischen und schüchternen Output von Peteri. Seine Platten für Planet E, Delsin, Peacefrog, für die eigene Adresse NWAQ oder unter Pseudonymen wie Ross 154 erschienen bisher in der Regelmäßigkeit von Schaltjahren. Dieses delikate Vorgehen und vorsichtige Abwägen des eigenen Schaffens könnte zwar als Unorganisiertheit oder Lethargie ausgelegt werden, der Gedanke, dass sich hier jemand gegen den grassierenden Fordismus stemmt, ist aber ungleich schöner. Damit fällt er auch ein wenig aus dem Rahmen, den seine Zunftgenossen in Amsterdam mit ihrer Produktivität so schön lackiert haben, den man aber auch gerne auf dem Dachboden abstellt.
Maskiert als Newworldaquarium geht Peteri dabei so eklektisch vor, wie es die legendäre Detroit-Compilation Retroactive für das belgische Buzz-Label nur sein konnte. The Dead Bears, das längst überfällige Debütalbum, kann fast als Replik darauf begriffen werden. Zunächst als limitierte Vinylausgabe mit sieben Stücken erschienen, findet sich auf der CD das um fünf Tracks erweiterte Komplettprogramm.
Ohne den verstockten Detroit-Romantiker zu geben, knüpft Newworldaquarium an einem traditionellen Verständnis von Techno und House an, das vom Rhythmus entkoppelte melancholische Soundlandschaften („Kemo Sabe“) ebenso zulässt, wie gehbehinderte Disco-Loops, Downtempo-Skizzen und jene Stottergrooves, die Theo Parrish in seiner Zeit als Junggeselle perfektionierte („Kirana’s Lament“). Temporestriktionen, DJ-Bedürfnisse oder die Ökonomie des Tanzflurs spielen dabei überhaupt keine Rolle. Stücke wie „Trespassers“ oder „NY“, die aus seiner Frühphase stammen, wurden bei Erscheinen zwar noch als genuine Produkte aus Michigan aufgefasst. Aber bei all diesen Vergleichen darf nicht unterschlagen werden, dass NWAQ sich einen ganz eigenen Charakter bewahrt hat. Die Einflüsse, Helden und Maßstäbe sind leicht zuzuordnen, aber die Ergebnisse klingen stets eigen. Der Groove ist auffällig personalisiert. Und was noch viel wichtiger ist: The Dead Bears wirkt nicht krampfhaft konstruiert. Im Gegensatz zu den vielen Alben, die lediglich Füllmaterial zwischen zwei Hits parken, herrscht hier ein langer ruhiger Fluss. Newworldaquarium verspricht, was man sich von einer Langspielplatte wünscht: eine Freundschaft fürs Leben. Jemand sollte Jochem Peteri sagen, dass er einen zukünftigen Klassiker geschaffen hat.

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