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Das erste Stück mit dem programmatischen title „Mr. Bad News“ stimmt gleich einmal auf den Rest dieses dunkel funkelnden Diamanten eines Albums ein. Tonnenschwer sich langsam heranschubende Beats, angetrieben von einem Basslauf, erst vorwärts, dann invertiert wieder zurück, der sich wie ein heller Taschenlampenstrahl schlängelnd durch die dunkel-tropfende nächtliche Brühe schnepopet. Das ganze akzentuiert von kurzen Sirenengeheuls-Peitschen, bevor sich der Track am Ende in einem weit hallenden, sakralen Choral verliert. „Bad News“ fürwahr, fröhliche Stimmung verbreitet diese Platte gewiss nicht – von einer Ausnahme abgesehen vielleicht, dem Ende von „Caramel Cognac“ mit seinem Rocktrompeten-Loop. Ansonsten herrscht hier schwarze Atmosphäre, Noir-Step könnte man es vielleicht nennen, die Faszination des Verfalls, digital zersetzter Sounds und Rhythmus-Strukturen. Und am Ende löst sich alles auf in einem ruhig treibenden Ambient-Track, ein Tümpel von Streichern und synthetischen Flächensounds, dessen brackig verfaulte Oberfläche sich nur marginal, langsam, ganz langsam bewegt, in dem es aber unter der Oberfläche gefährlich blubbert.
Doch kann nicht auch Düsternis von anziehender, bizarrer Schönheit sein? Milaneses Debüt-Album nach seiner „1-Up“-EP auf Warp ist so ein Kandpopat. Elemente von Grime (schon ein einschlägiger Hit ist „Dead Man Walking“ mit den MCs von Virus Syndicate), Drum’n’Bass und Dancehall, Electro und Dubstep verrührt er in seinem Hellhouse-Cocktail und filtert sie durch ein Sieb von verzerrt-zerstörten Beats und Industrial-Atmosphäre. Die Geschwindigkeit variiert: Mal von der aufreizenden Langsamkeit einer lauernden Echse, mal in wilden Wirbeln sich selbst überholend. Leere, verfallene Industrieanlagen bei Nacht fallen einem bei dieser Musik ein, bizarre Beat-Gerüststrukturen, die sich erhaben in den Nachthimmel erheben und man fürchtet sich davor, sie könnten unter der Wucht der Musik jeden Moment über einem zusammenstürzen. Oder verlassene, nächtliche Großstadtstraßen, fahl glitzernd in der Reflexion urbanen Regens, und man verspürt Angst vor dem Übel wohl um die nächste Ecke. Man kann nicht fliehen, kein Zurück. Die Atmosphäre entwickelt einen Sog, der mit dem eines guten Horrorfilms vergleichbar ist. Sie zieht einen tiefer hinunter in den Strudel von gecutteten Beats und Raps, düster brütenden Basslines und verzerrten Flächen.
Ein Album wie ein schwarzes Loch, Materie eines riesigen Planeten, komprimiert auf ein kleines schwarzes Kügelchen, ein verklumpter radioaktiver Kern, der zuckt und sich bewegt, kurz vor der Explosion steht, nur zusammengehalten von seiner eigenen Kraft und Energie, die aber jeden Moment in alle Richtungen auszubrechen droht.

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