burger
burger
burger

CLAP: Wie Bitwig und u-he eine Revolution in der Musikproduktion entwickeln

- Advertisement -
- Advertisement -

Mit CLAP soll ein neuer Plug-in-Standard für die Musikproduktion entstehen. Das steckt hinter der von u-he und Bitwig entwickelten Technologie, die manche bereits als neues MIDI bezeichnen.

Musikproduzierende schnattern mit den Synthesizern: Bitwig und u-he coden an der Software-Revolution! Mit CLAP wollen die Berliner Entwicklerfirmen einen neuen Standard in der Produktion von Musik setzen – und zwar wortwörtlich. Es geht um die Einführung eines neuen Plug-in-Formats, das modernere Funktionen, eine größere Stabilität und schnelleren Support für Plug-in-Entwickler:innen bietet als bisherige Alternativen. Wer sich das Ankündigungsvideo zu CLAP auf YouTube ansieht, merkt in den Kommentaren der User:innen: Dieses Vorhaben hat Potenzial. Einige sprechen sogar von der größten Entwicklung im Musikbereich seit dem Launch von MIDI. Aber worum geht es bei der Sache und wer steckt dahinter?

Um diese Fragen zu beantworten, packen wir das zweiwöchige Seminar in Audioproduktion in einen Crashkurs über zwei Absätze. Das Clever Audio Plug-in API, wie CLAP mit bürgerlichem Namen heißt, soll sich als neuer Plug-in-Standard etablieren. All jene, die sich schon mal durch Digital Audio Workstations (DAW) wie Ableton, Logic oder Bitwig geklimpert haben, wissen: Man kann darin nicht nur die eingebauten Synthesizer und Effekte nutzen, sondern das Programm mit seinen Lieblingsgeräten erweitern. Mit zwei Klicks lassen sich zum Beispiel Vintage-Synths von Roland auf dem MIDI-Keyboard spielen, an digitalen Moog-Filtern drehen oder dieselben Kompressoren nutzen, mit denen Hans Zimmer sein Orchester aufbläst.

So sieht es aus: CLAP (Foto: Screenshot)

Diese digitalen Helferlein in der DAW heißen Plug-ins. Viele funktionieren wie digitale Kopien ihrer Analog-Originale, andere existieren nur als virtuelle Geräteerweiterung. Alle Plug-ins eint, dass sie auf speziellen Standards basieren. Von VST, Audio Unit oder AAX dürften die meisten Producer:innen gehört haben – sie sind die aktuellen Industriestandards der Musikproduktion, sobald Plug-ins zum Einsatz kommen. Allerdings ist jedes dieser Formate ein wenig anders, je nachdem, ob man Ableton, Pro Tools, Logic oder Bitwig öffnet.

„Außerdem sind die gängigen Formate alle an Plattformen gebunden oder haben restriktive Lizenzmodelle”, sagt Urs Heckmann zu GROOVE. Er ist Gründer von u-he und entwickelt seit über 20 Jahren virtuelle Synthesizer. Innerhalb der Szene gilt er als ein Vordenker – seine Auseinandersetzung mit der musikalischen Komposition, dem Sounddesign bis hin zur Analyse und dem Aufbau eigener Schaltpläne spiegelt sich in einer Liebe zum Detail wider. Ein Ansatz, der auch die Idee von CLAP tragen soll. Schließlich sollen Nutzer:innen dank CLAP nicht mehr der einschränkenden Firmenpolitik von Steinberg (VST), Apple (AU) oder Avid (AAX) unterliegen.

Offener Standard, unbegrenzte Möglichkeiten

Die Unabhängigkeit von Firmeninteressen spiele eine Rolle in der Entwicklung des neuen Standards, sagt Heckmann. Gleichzeitig gehe es nicht darum, sich mit CLAP gegen die anderen durchzusetzen. Man wolle einen „offenen Standard” schaffen. Dazu gehöre vor allem die Abgrenzung von dem, was der Entwickler als „Plattformen” bezeichnet. Diese würden zwar wie Standards aussehen, schafften aber Abhängigkeiten. Zum Beispiel könne aktuell niemand mehr einen Lizenzvertrag für VST2 bekommen, so Heckmann. „Bei einem richtigen Standard wäre es nicht möglich, dass ein einziger Player eine solche Entscheidung für alle anderen treffen kann.”

„Nur weil es viele Jahre gutgegangen ist, heißt das nicht, dass es ein akzeptabler Zustand für die Industrie wäre”, sagt Urs Heckmann von u-he (Foto: Presse)

Ein deutliches Zeichen für „Platforming” sehe Heckmann auch darin, dass die DAWs, die diese Standards kontrollieren, die jeweils anderen Standards nicht unterstützen. „Interessanterweise bedeutet es auch, dass diese Standards nicht direkt in Konkurrenz untereinander stehen. Man lässt sich gegenseitig leben. Das gletscherschnelle Tempo, mit dem diese Standards vorangetrieben werden, ist eine Folge davon”, sagt er. „Nur weil das viele Jahre irgendwie gutgegangen ist, heißt das aber noch lange nicht, dass es ein akzeptabler Zustand für die Industrie wäre.”

Inzwischen arbeitet u-he mit den DAW-Entwickler:innen von Bitwig an CLAP. Die Idee dazu entstand aber bereits Mitte der Zehnerjahre. Sie stammt von Alexandre Bique, einem Programmierer, der einst als Freier für u-he arbeitete und inzwischen für Bitwig programmiert. „Dazwischen ruhte das Projekt einige Jahre”, sagt Heckmann. „Vor zwei Jahren sind aber einige Dinge zusammengekommen – von Konflikten mit Lizenzen über Probleme, für viele Standards gleichzeitig zu entwickeln.” Ausschlaggebend sei schließlich gewesen, die eigene Code-Basis unabhängig von jenem Tempo zu machen, in dem andere die Schnittstellen entwickeln.

„Wir wollen einen offenen Standard schaffen.”

Urs Heckmann (u-he)

„Bislang waren wir froh, dass wir an innovativen Features arbeiten konnten und uns nicht um Standards kümmern mussten”, sagt Placidus Schelbert, Geschäftsführer von Bitwig zu GROOVE. „Allerdings wurden uns die Nachteile dieser Haltung immer bewusster: Proprietäre Standards bergen die Gefahr, dass einem der Teppich unter den Füßen weggezogen werden kann.” Bitwig, das inzwischen über 30 Personen in Berlin, Frankreich und Großbritannien beschäftigt, dürfte der ideale Partner für die Umsetzung eines freien Standards sein. Der Fokus des Unternehmens liegt seit der Gründung im Jahr 2009 auf gemeinsamer Eigenständigkeit. Bitwig will mit der Community arbeiten, nicht gegen sie.

Eine Einladung an alle

Dass CLAP nicht nur die Zusammenarbeit zwischen Bitwig und u-he sei, betonen Heckmann wie Schelbert gleichermaßen. Man habe es losgetreten, nutze die eigene Reichweite und unterstütze mehrere Open-Source-Projekte finanziell. Inzwischen wirken aber bis zu hundert Programmierer:innen unterschiedlicher Firmen an der Fortentwicklung des Standards mit. Außerdem böten Diskussionsforen und Strukturen die Möglichkeit, sich aktiv einzubinden. CLAP sei eine Einladung an die ganze Branche, an einem gemeinsamen, freien Standard mitzuarbeiten, so Schelbert.

Alle sollen sich an CLAP beteiligen können, sagt Placidus Schelbert von Bitwig (Foto: Presse)

Die Hoffnung sei, dass der gemeinsame Ansatz dazu führt, dass gute Ideen und Features in CLAP schnell umgesetzt werden. Dass CLAP erst vergangenes Jahr in eine Beta-Phase startete, soll nicht über die Entwicklungspotenziale hinwegtäuschen. CLAP orientiere sich am „Status Quo der DAWs – nicht an einem Stand, der über ein Jahrzehnt alt ist oder an dem, was bestimmte DAWs bisher vorgegeben haben”, so Heckmann.

Mit diesem Drang zur Innovation soll CLAP neue Produktionsmöglichkeiten eröffnen. Im Zuge der Präsentation des neuen Standards sprach man auch von „nicht-destruktiven, polyphonen Modulationen und eventbasierten Übertragungen von Tempo- und Timingwechseln.” Was das konkret bedeutet und welche Vorteile es für Producer:innen bietet, erklärt Heckmann so: „Bei der Parameter-Modulation geht es darum, dass man einzelne Parameter eines Plug-ins temporär automatisieren kann, ohne den eigentlichen Parameterwert zu ändern. Man könnte zum Beispiel einen LFO auf einen Parameter legen, modulieren und trotzdem weiter am Knopf drehen. Wenn die Modulation vorbei ist, hat man wieder den Ausgangszustand – nicht-destruktiv eben.”

„Nicht-destruktiv” soll CLAP sein (Foto: Screenshot)

Sofern Synthesizer-Plug-in und DAW diese Form der Modulation unterstützten, ließen sie sich auch polyphon umsetzen. In Bitwig könne man bereits, so Heckmann, pro Note eine Hüllkurve auf einen Synthparameter legen. „Das ist, als hätte das Plug-in eine zusätzliche Hüllkurve. Plötzlich sind recht einfache Plug-ins in modulare Vielfalt eingebunden.”

Die „eventbasierte Übertragung von Tempo- und Timingwechseln” sei außerdem ein Teil eines wichtigen Konzepts in CLAP: der „unified Event Queue”. Heckmann klärt auf: „Gemeint ist, dass alle Informationen, die das Plug-in erreichen, über einen einzigen Kanal kommen. Es sind also MIDI, Parameter, Timing, Modulation, Expressions und so weiter. in einer einzigen Liste untergebracht, die das Plug-in dann über so und so viele Samples abarbeiten kann, während es Audio prozessiert. Das hat enorme Vorteile gegenüber der separaten Methode in anderen Formaten, weil es schlichtweg einfacher für das Plug-in ist, all die unterschiedlichen Informationen in der richtigen Reihenfolge und zur richtigen Zeit abzuarbeiten.”

„CLAP wird sich über die Jahre als sichere und leistungsstarke Alternative entwickeln.”

Placidus Schelbert (Bitwig)

Beim Timing würde sich das besonders deutlich auswirken, so der u-he-Gründer. In klassischen Formaten sei immer nur beim ersten Sample eines Puffers klar, welches Tempo und welche Song-Position gerade angesagt ist und ob die DAW im Playback-Modus ist oder nicht. „Also müssen DAWs gegebenenfalls das Prozessieren in viele kleinere Blöcke zerlegen, zum Beispiel bei einem Loop oder einem Ritardando”, so Heckmann. „In CLAP brauchen sie das nicht mehr. Das spart hoffentlich CPU und erlaubt es Plug-ins, das Tempo intern linear mitzufaden.”

Gekommen, um zu bleiben

So kompliziert das klingt, im Producer:innen-Alltag sollen mit CLAP die einfachen Vorteile überwiegen. Sowohl Schelbert wie Heckmann sind sich sicher, dass der Standard zu mehr Stabilität im Studio führen kann, denn das Format sei einfach aufgebaut. Gleichzeitig werde vermieden, was in früheren Schnittstellen zu Komplikationen geführt hat: Interpretationsspielraum, Mangel an Klarheit und undeutliches Threading. Allesamt Probleme gängiger Formate, die entstanden sind, bevor Computer mit mehreren Prozessoren üblich waren.

Mit dem neuen Standard sei dagegen alles klar dokumentiert und das Konzept von vornherein darauf ausgelegt, häufig gemachte Fehler auszuschließen, so Schelbert: „CLAP ist gekommen, um zu bleiben, es wird sich über die Jahre als sichere und leistungsstarke Alternative entwickeln.”

In diesem Text

Weiterlesen

Features

Ryan Elliott: Den Regenschirm rausholen und sich durchbeißen

Im ausführlichen Interview erzählt Ryan Elliott über seine Karriere und die zehnte Katalognummer seines Labels Faith Beat.

Oleksandr Shpak von der Berlin Ballett Company: „Ich habe schon immer groß gedacht”

Ein hochkarätiges Ballett, das mit einem Rave verschmilzt. Hier erfahrt ihr, was es mit dem außergewöhnlichen Tanzprojekt auf sich hat.

Im Studio mit Mathew Jonson: „Wenn ein Dezibel lauter schon zu viel wäre”

Groove+ Mathew Jonson verlagert seinen Lebensmittelpunkt von Berlin nach Lissabon. Wir konnten die Minimal-Legende davor noch im Studio besuchen.