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Paul Kalkbrenner: „Die Maschine arbeitet, und ich bin die Galionsfigur” (Teil 2)

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Text: Heiko Hoffmann, Fotos: Sybille Fendt
Erstmals erschienen in Groove 131 (Juli/August 2011)

Teil eins | Teil zwei

Haben dich die vergangenen Jahre zum Millionär gemacht?

Ähh. Also wenn ich nicht so viel ausgeben würde, dann ja. Auch 2011 werden die Einnahmen wieder im siebenstelligen Bereich sein. Aber ich gebe halt viel Geld für’s Wohnen und für’s Reisen aus. Ich hab noch nie sonderlich auf Sachen wie Telefonrechnungen, Hotelrechnungen oder so geachtet. Aber ich hab auch meine Eltern, Onkel oder Tanten unterstützt. Ich hab dann gesagt: „Guckt mal, hier ist ‘n Batzen, dann könnt ihr auch mal’n bisschen ruhiger machen.” Das ist mir wichtig. Der ganze Erfolg muss schon einen Sinn haben. Mein Ziel ist zum Beispiel, mal eine Art Generationenhaus zu bauen, wo Mutter, Vater, Onkel, Tante und vielleicht auch mal die eigenen Kinder drin wohnen können. Wenn ich mit dem ganzen Geld, das ich jetzt verdiene, das nicht schaffen würde, dann hätte ich versagt.

Hat sich in den vergangenen Jahren dein Freundeskreis verändert?

Ich lern kaum neue Leute kennen. Aber das war auch schon vor Berlin Calling so. Meine Freunde sind halt meine Freunde, und die hab ich noch von früher. Sascha (Funke, Anm. d. A.) hat sich etwas zurückgezogen. Aber ansonsten ist alles gut. Mit Gernot von Modeselektor, Housi (Housemeister, Anm. d. A.), den Zander-VT-Jungs oder Jan-Erik von Autotune bin ich nach wie vor befreundet. Und dass der Kontakt zu Ellen (Allien, Anm. d. A.) nachgelassen hat, dürfte ja klar sein.

Vor zwei Jahren hast du Ellen Alliens Label Bpitch Control verlassen, dein neues Album veröffentlichst du jetzt selbst. Warum kam es zu der Trennung?

Ellen konnte das mit der Trennung nicht verstehen. Aber die hat bis zum Schluss gar nicht mein Potenzial erkannt. Die wollte ja Berlin Calling zunächst gar nicht rausbringen, weil sie die Platte nicht mochte. Und heute bezahlen meine Verkäufe ihre Eigentumswohnung und ihre Kunstspielereien. Ich hab wirklich genug gemacht für das Label. Selbst meine alten Alben verkaufen sich auf einmal zehnmal mehr als zu der Zeit, zu der sie damals erschienen sind.

Hier im Zimmer hängt ein Plakat der Silvesterfeier 2009/2010 des Berliner Clubs Weekend. Da stehen in dieser Reihenfolge die Namen: Paul Kalkbrenner / Richie Hawtin / James Holden.

Als ich das Plakat zum ersten Mal sah, hab ich mir das lange angeguckt und gedacht: „Mmh. Irgendwas stimmt doch hier nicht.” Heute muss ich mir das im Kopf richtig einsortieren, dass ich ja aus diesem ganzen Bereich eigentlich schon rausgewachsen bin.

Es gibt ein riesiges Interesse an deiner Person. Wie viel davon lässt du an dich ran? Googelst du zum Beispiel deinen Namen und liest die Facebook-Kommentare deiner Fans?

Nee, aber das wird mir mitgeteilt. Bei den Facebook-Fans haben wir jetzt über eine Million. Außer mir gibt’s da in Deutschland, glaube ich, nur noch Mesut Özil, der mehr Fans als Einzelperson hat (Anm. d. R.: Paul van Dyk hatte zum Zeitpunkt des Interviews etwa die Hälfte mehr Facebook-Fans). Und ich bin die elftgrößte Marke im deutschsprachigen Raum, so hinter Mercedes-Benz und Bayern München. Das ist schon sehr, sehr eigenartig. Aber das ist natürlich auch der beste Vertriebsweg. In dem Moment, wo jetzt zum Beispiel ein neues Album von mir erscheint, müsste ich das eigentlich nicht mal vorher ankündigen. Dass wir jetzt hier zusammen sprechen, ist für mich gar nicht notwendig. Es reicht ‘ne kurze Nachricht: „Ab heute. Hier zu kaufen.” Und selbst wenn dann nur jeder Zehnte losgeht und sich det Album kauft, ist es schon wieder Gold.

Triffst du gern auf deine Fans?

Da gibt es schon seltsame Situationen, aber ich mag das eigentlich gern, wenn Fans mich ansprechen. Ich mag es nur nicht, wenn mich Leute einfach anfassen. Lustig sind auch Situationen, wo man gar nicht damit rechnet. Wenn man mit der Bank telefoniert oder mit dem Taxi fährt und dann angesprochen wird: „Sind Sie nicht?” Das passiert mit Menschen jeden Alters!

Anfang des Jahres bist du vor Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan aufgetreten. Was waren deine Gründe für das Konzert?

Also eigentlich würde ich jetzt sagen: „Nächste Frage bitte!” Es gab da ja diesen taz-Artikel, der den Tenor hatte: „Paul Kalkbrenner lässt sich einspannen, und die Bundeswehr versucht, sich mit dem Auftritt ‘n cooles Image zu verschaffen.” Gerade so, als wenn das vom Kanzleramt angeordnet worden wäre. Dabei hat uns der kleinste Gefreite dort geschrieben, ob so ein Auftritt nicht möglich wäre. Ich bin dann auf meine eigenen Kosten dahin, einfach weil es mich ankotzt, dass der ganze Hass auf die Soldaten abgeleitet wird, die dort nur ihre Pflicht tun. Und die Soldaten dort haben sich wahnsinnig gefreut! Es sind ja unsere Politiker, also die Leute, die wir alle vier Jahre in den Bundestag wählen, die diesen Einsatz seit neun Jahren verlängern. Ich bin gegen den Einsatz in Afghanistan und selbst Totalverweigerer. Ich bin weder zum Bund noch zum Zivildienst, sondern einfach nicht zur Musterung erschienen und dann abgetaucht. Für mich war der Auftritt ein reines Statement gegen die Scheinheiligkeit von Leuten, die rufen: „Soldaten sind Mörder!”

Wie reagieren bekannte DJ- und Produzentenkollegen auf deinen Erfolg?

Keene Ahnung, was die hintenrum denken. Aber wenn ich sie treffe, dann sind die meisten immer nett. Sven (Väth, Anm. d. A.) hab ich mal im Flugzeug getroffen. Wir kennen uns ja gar nicht so richtig, aber der kam dann zu mir und hat mir zum Erfolg gratuliert.

Beim Bermuda-Festival in Berlin vergangenen Herbst hast du vor deinem Auftritt erst mal die Bühne räumen lassen, auf der etliche sogenannte VIPs hinter den DJs standen.

Ich versteh gar nicht, woher immer diese Entourage von 70 Leuten kommt, die da unbedingt mit auf der Bühne stehen muss. Das Gelände ist ja groß genug. Es gibt mehrere Hallen, Bars, Chill-out-Bereich – da kann man überall hin. Aber der Ort, wo die Musik herkommt, ist halt für den, der die Musik macht. Dafür gibt es ja eine Bühne. Diese Typen, die da unbedingt mit oben stehen und gesehen werden müssen, sich aber nie ins Publikum begeben würden, mit denen kann ich nichts anfangen. Auch mit diesem Hinter-dem-DJ-Getanze. Und diese besoffenen Weiber, die dir in den Mixer greifen. Ick weeß gar nicht, was das überhaupt soll.

Wirst du in zehn Jahren immer noch Musik machen?

Nee. Das Auf-der-Bühne-Stehen ist nicht mein Lebensziel. Und das Musikmachen muss auch nicht unbedingt sein. Ich wurde ja in den vergangenen Jahren überproportional hoch gehypet. Und ich bin mir meiner Halbwertszeit bewusst. Ich muss das Ding jetzt in den nächsten drei, vier Jahren rocken. Und das war’s dann. Dann will ick genug Kapital beiseite geschafft haben, dass ich die Dinge machen kann, die ich am liebsten mache.

Und was machst du am liebsten?

Nix! Kiffen, lesen und mich entspannen. (lacht) Ich sehn’ mich eigentlich danach, wonach sich jeder sehnt: sich mit seinem Job so durchzuschlagen, dass man irgendwann seine Ruhe hat.

Aber wir sprechen hier ja nicht von Arbeit als Investmentbanker oder Unternehmensberater. Du machst Musik und verdienst mit deinem Hobby deinen Lebensunterhalt. Für viele Leute wäre das der Traum, für den sie ihren Job an den Nagel hängen würden.

Mmh. (macht eine Pause) Ja, da sollte ich vielleicht mal drüber nachdenken. Ich tendiere schon dazu, das, was ich mache, gering zu schätzen. Das ist nicht gut.

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