Dass elektronische Musik wieder vermehrt in kollektiven Strukturen stattfinden solle, bekommt man in den letzten Jahren immer wieder zu lesen und zu hören. Von der Szene – für die Szene, lautet die gern beschworene Losung gegen die Kommerzialisierung des Undergrounds.
In Rostock hat man das – notgedrungen – schon vor zehn Jahren begriffen: Das dortige UKW, gelegen in einem ehemaligen Dieselmotoren-Kraftwerk, wird vom Kunst- und Kulturverein Kraftwerk e.V. betrieben, der in der liebevoll „Beton-Lady” genannten Location Partys mit Acts wie Mareena, Truncate, Vincent Neumann oder XDB veranstaltet – gestemmt von den Vereinsmitgliedern höchstselbst.
Dabei geht es nicht nur um Headliner: Auch die Förderung regionaler Talente und der Aufbau eigener Residents ist dem UKW ein großes Anliegen. Stellvertretend dafür steht der Mix von Curatio, für sie „Seelenarbeit in Form von Techno”.
Wie das gesamte Projekt funktioniert und wie es überhaupt erst entstand, hat uns Gründungsmitglied Christian Rinow im Interview erklärt.
GROOVE: Euer vereinsbetriebenes Veranstaltungskonzept trägt sich inzwischen seit zehn Jahren. Wie kamt ihr auf die Idee, diese Struktur zu etablieren?
Christian Rinow: Wie viele Projekte haben wir nicht ganz legal angefangen und uns damit in die Nesseln gesetzt? Dadurch kam es zu Diskrepanzen mit einigen Ämtern, sodass das ganze Projekt mit den vorher 1000 eingeflossenen Arbeitsstunden auf der Kippe stand. Nach ungefähr einem Dreivierteljahr erhielten wir die Möglichkeit, einige Veranstaltungen mit nicht öffentlichem Charakter im privaten Rahmen durchzuführen. Wir mussten also einen Weg finden, unsere Vision im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten fortzuführen. Durch den bereits bestehenden Verein hatten wir die Möglichkeit, das zu bewerkstelligen.
Kosten für Organisation, Reparaturen und den Club selbst werden in Gänze vom Verein getragen. Wie viele Mitglieder habt ihr und woher, glaubt ihr, kommt diese hohe Bereitschaft zur Partizipation und zum Einsatz privater Ressourcen?
Wir haben 70 aktive Mitglieder. Hinzu kommen passive Mitglieder-Gäste – die Zahl liegt im dreistelligen Bereich. Die Bereitschaft der langjährigen Mitglieder erklärt sich weitgehend aus dem Gründungsgedanken. Die ehemals sehr große Techno-Szene in Mecklenburg, insbesondere in Rostock, litt zunehmend unter einem Schwund. Das lag daran, dass immer mehr Clubs verschwanden und die Arbeitssituation schwierig war, sodass immer mehr Mitglieder der Szene in andere Regionen wie Hamburg oder Berlin abwanderten. Als 2003 bekannt wurde, dass das Wohlwerk und die Gerberei in Schwerin schließen, beschlossen einige Uraktivisten, dass es so nicht zu Ende gehen kann. Noch bestehende Clubs in Rostock verschrieben sich aus wirtschaftlichen Gründen immer mehr der Goa- und Deep-House-Szene, sodass Techno überhaupt keine Heimat mehr fand. Daher die hohe Bereitschaft.

Wie habt ihr euch die Location erschlossen, in der ihr veranstaltet?
Der Gedanke entstand schon Mitte der Neunziger, als das DMR beziehungsweise Heizwerk nach einem Unfall außer Betrieb ging. Allerdings hatte damals noch niemand die finanziellen Mittel oder die Expertise, ein solches Projekt anzugehen.
Die Förderung regionaler Künstler:innen ist euch ein großes Anliegen. Wie setzt ihr diese um?
Mittlerweile ist es so, dass viele aktive Mitglieder, die wir aufgenommen haben und die bei uns hilfreich tätig sind, selbst hobbymäßig in dem Bereich unterwegs sind. Wir konnten ihnen hier eine Heimat und eine Bühne für ihre Leidenschaft geben.
Wie ist es insgesamt um die Clubkultur in Rostock bestellt? Wie hat sich die Szene dort in den letzten Jahren entwickelt?
Wie eingangs beschrieben, war die Szene zur Zeit unserer Gründung dabei, zu sterben. Durch unser Signal fassten auch andere Clubs und Kollektive wieder den Mut, die Szene zu beleben.

Was hast du dir bei deinem Mix gedacht und inwiefern spiegelt er euren musikalischen Anspruch wider?
Curatio: Er spiegelt nur einen kleinen Ausschnitt unseres Techno-Spektrums wider, weil wir zwar breit aufgestellt sind, aber trotzdem sorgfältig auswählen. Unser erklärtes Ziel ist es, ältere und jüngere Generationen gleichermaßen abzuholen. Was ich mir dabei gedacht habe? Ich wollte die einzigartige Energie unser Beton-Lady ausdrücken und ihr meine Passion erweisen – Seelenarbeit in Form von Techno. Das UKW vermittelt das Gefühl des Nach-Hause-Kommens.
Tracklist:
1. Sxnxrxs – Materia Oscura
2. P.E.A.R.L. – Fall Before You
3. Ombrar – In The Mud
4. Schrama – The Woods
5. Squaric – Layers (!nertia remix)
6. Deas – perception
7. Eman – Kapara
8. Leo J. – Cold
9. ?
10. Kevin Ferhati – Niburus’s Code
11. Mython – Heuristic
12. Vitoria – Let’s Dance
13. Jorge Fons – Late Hours
14. Deas – Switcher
15. Roax – Silent Conflict (Benza Remix)
16. Isabel Soto & Kevin Ferhati – Monsoon
17. Isabel Soto – Genis
18. BagØ – Karo
19. Nortsch – Benigna
20. Roax (Enoch) – Narcissist
21. Rethe – Hungry Ghost
22. Isabel Soto – Transported
23. Marcal – Steady
24. Roax – Phantasm