burger
burger

SHOW DOWN: Der Feierkultur-Podcast: Jedes Gespräch ist eine Art Showdown

Nachdem die DJ und Dokumentarfilm-Produzentin Leonie Gerner und der Musik-Berater Julian Krohn bei ihrem ersten Wiedersehen nach zehn Jahren die Schnapsidee entwickeln, zusammen einen Podcast über die Clubkultur auf die Beine zu stellen, und das dann auch tatsächlich tun, dauert es nicht mehr lange, bis die erste Welle der Pandemie über die gesamte Szene hereinbricht. Kurzerhand wird das Konzept umgestellt: Der Podcast bekommt den prägnanten Titel SHOW DOWN, aber die Idee, der Szene eine lange überfällige Podcast-Stimme zu geben, bleibt bestehen.

Zweieinhalb Jahre und bald 100 Ausgaben später erzählen die beiden GROOVE-Autor Nathanael Stute im Kurzinterview von den Anfängen des Formats, besonders erinnerungswürdigen Ausgaben und Begegnungen, gebotener Sensibilität und dem ,Auch-mal-auf-den-Deckel-Kriegen’, der Zukunft von SHOW DOWN und ihrer grundsätzlich tiefen Verbundenheit zur Musik, der Szene und den Menschen, die diese prägen.

GROOVE: Am 26. Mai 2020 – im ersten Lockdown – erschien die erste Folge eures Podcasts. Was war die Ausgangslage und was ist euch vorgeschwebt, als ihr den Podcast angefangen habt?

Leonie Gerner und Julian Krohn: Unsere Idee zu dem Podcast ist eigentlich sehr viel früher entstanden, nämlich etwa ein Jahr vor der ersten Folge, nach circa zehn Jahren, in denen wir uns nicht gesehen haben. Wir kennen uns schon seit der Jugend und kommen aus dem gleichen Kaff in Berlin. Bei unserem ersten Treffen nach so vielen Jahren gab es eine Menge zu besprechen. Über etliche Drinks und alte Geschichten haben wir festgestellt, dass wir uns nicht nur immer noch gut verstehen, die gleichen Themen beruflich und privat bearbeiten, sondern auch, dass wir noch einen richtig guten Schnack zusammen haben. Aus einer Schnapsidee wurde Realität.

Wir haben schnell gemerkt, dass die Pandemie nicht das einzige Thema ist, über das gesprochen werden muss.

Wie habt ihr das Format entwickelt? 

Der Podcast sollte von Anfang an die Szene, die Musik und die Menschen der Nacht beleuchten – nur eben ohne Corona. Und dann, im März 2020, kurz vor der Veröffentlichung der ersten Folge, war die Welt plötzlich eine andere. Also haben wir umgedacht – wir wussten ja nicht, was passiert. Dass die Szene hart getroffen wird, war allerdings schnell absehbar. Also sind wir losgestartet, um uns dieser besonderen Situation der Branche, dieser absoluten Stilllegung, zu widmen. Darüber online zu sprechen, war im Grunde das Einzige, was zu der Zeit möglich war, und das kam uns mit dem Podcast-Format vielleicht auch etwas zugute. Auch dass die Leute hinter den Kulissen plötzlich Zeit für uns hatten und ihre Türen geöffnet haben, wo die Szene sonst ja eher zurückhaltend ist. Wir haben schnell gemerkt, dass die Pandemie nicht das einzige Thema ist, über das gesprochen werden muss. Sie hat nochmal Themen aufgemacht, die viel zu lange nicht ausreichend besprochen wurden. Ein Ziel war es von Anfang an, Menschen fernab der Szene zu erreichen und etwas verständlicher zu machen, wie wichtig diese Kultur für unsere Gesellschaft ist.

Im Laufe der Zeit hat sich euer Podcast zu einem Format über Clubkultur generell entwickelt. Wie findet ihr zu Ideen, Inhalten und Gesprächspartner:innen?

Jeder von uns beiden bringt Themen ein, und wir erarbeiten alles Redaktionelle gemeinsam. Es gibt so viele Themen aus dem Bereich der Clubkultur, die viel mehr Aufmerksamkeit bekommen sollten. Natürlich ist die Pandemie ein Aufhänger gewesen, um über Dinge zu reden, aber wir haben uns von Anfang an mit Themen wie Drogenkonsum, psychologischem Druck, Diversität, Togetherness, Safe Spaces, nachhaltigem Feiern und natürlich den ganz persönlichen Geschichten von Künstler:innen, Veranstalter:innen und so weiter beschäftigt; aus unserer eigenen Perspektive, aus der wir die Szene seit vielen Jahren erleben und selbst mitgestalten – Julian als Music-Supervisor, Leonie als DJ und Dokumentarfilm-Produzentin. Wir möchten möglichst viele Aspekte von hinter den Kulissen zeigen und diese extreme Zeit mit unseren Möglichkeiten dokumentieren. Es ist wichtig, ein Sprachrohr zu bieten und ein Abbild davon zu schaffen, wie sich die Szene zu jeder Zeit weiterentwickelt.

Wir kriegen bei weitem nicht alles mit, was gerade passiert, und machen immer noch viele Sachen nicht ganz richtig.

Was sind bisherige Highlights und besondere, erinnerungswürdige Momente? 

Es gab zum Beispiel ein Interview, das wir nach der Aufnahme nicht ausgestrahlt haben. Eine andere Folge haben wir nach Erscheinen aufgrund der Sensibilität der Thematik wieder gelöscht. Wir mussten in diesen speziellen Fällen sehr genau abwägen, wie wir damit umgehen, und uns mit unserer Entscheidung positionieren. Aus diesen Erfahrungen lernen wir. Und auch die unangenehmen, aber extrem wichtigen Themen bleiben in Erinnerung. Zum Beispiel die Gespräche mit Dr. Felix Betzler, dem Partydrogenbeauftragten der Charité, und mit Rü von Safer Nightlife, die sich für sicheres Clubben und Drugchecking-Maßnahmen einsetzen. Themen, über die mittlerweile medial endlich mehr gesprochen wird. Die Podcast-Folgen mit den Machern von Kater Blau, Sisyphos, Watergate oder der Fusion. Oder zu Themen wie marginalisierten Gruppen – mit den Dragqueens Fixie Fate und Destiny Drescher. Das Konglomerat aus allen Gesprächen, Gästen und Möglichkeiten, diese Szene und ihre Menschen besser zu verstehen, war und ist ein Highlight. Wir haben sehr viele neue, positive Erfahrungen gesammelt und extrem viel gelernt. Und sicherlich auch viele Fehler gemacht. Auch das ist wichtig und man wächst daran. 

Leonie Gerner und Julian Krohn (Foto: Leonie Gerner und Julian Krohn)
Leonie Gerner und Julian Krohn (Foto: Leonie Gerner und Julian Krohn)

Was habt ihr über das Nachtleben gelernt, was ihr vorher nicht wusstet? 

Wir lernen bei jeder neuen Podcast-Aufnahme etwas Neues dazu. Wir treffen Menschen und werfen einen Blick in ihre Welt. Hinter ihre Decks, in ihre Studios, auf ihre Tanzflächen. Wir erfahren, wie wichtig jede Person in diesem Zahnrad der Clubkultur ist, und was sich für Geschichten hinter den Kulissen abspielen. Wie sensibel und scheu die Szene ist, aber auch wie menschlich und sozial. In den letzten Jahren konnten wir beobachten, dass die verschiedenen Krisen, aber auch Organe und Initiativen wie die Clubcommission, United We Stream, Alarmstufe Rot, Kulturgesichter030, Clubtopia, Der Tag der Clubkultur und nicht zuletzt die wichtige Redaktionsarbeit von Magazinen wie der Groove zu mehr gesellschaftlicher Wahrnehmung, aber auch Schulterschlüssen innerhalb der Szene geführt haben.

Habt ihr das Gefühl, dass ihr der Szene gerecht werdet? 

Wir kriegen bei Weitem nicht alles mit, was gerade passiert, und machen immer noch viele Sachen nicht ganz richtig. Zum Beispiel haben wir uns mal etwas unbedacht über den Ticketvorverkauf des Ritter Butzke geäußert. Ohne zu bedenken, wie wichtig so was aktuell für Clubs ist. Wir waren mit dem Ritter immer eng und haben viel Unterstützung erfahren, daher konnten wir auch nachvollziehen, dass man da mal auf den Deckel bekommt. Also brauchen wir immer wieder die Stimme von außen und hoffen auf noch mehr Input und Feedback der Hörer:innen – ob über unseren Instagram-Kanal, direkt per Mail oder per Bewertung auf Spotify.

Worauf können sich die Hörer:innen in der Jubiläumsfolge Nummer 100 und darüber hinaus freuen?

Für die Jubiläumsfolge haben wir uns vorgenommen, einmal Revue passieren zu lassen, was in den letzten zweeinhalb Jahren bei uns passiert ist. Ein Blick hinter unsere Kulissen. Natürlich gab es bei uns auch ein paar „Ehekrisen”, und davon zeigen wir vielleicht ein paar lustige Aufnahmen. Darüber hinaus wollen wir einen Ausblick wagen auf die kommenden Gäste und Vorhaben über den Podcast hinaus. Wir planen unter anderem „ClubkulTouren” durch Deutschland und von der Spree aus per Boot. 2023 wollen wir außerdem mehr Musik in den Podcast integrieren. Es gibt zum Jubiläum also einiges zu besprechen!

Gleichzeitig ist jedes Gespräch, das wir führen, eine Art Showdown.

Was stellt Ihr euch für die Zukunft vor?

Wir hoffen, dass unsere Gäste und Hörer uns weiterhin treu bleiben und wir unsere Kreise vielleicht noch etwas ausweiten können. Professioneller werden, ohne zu kommerziell zu werden. Wenn man wöchentliche Podcastfolgen produziert, nimmt das natürlich viel Raum ein, und wir lieben das; aber es entstehen Kosten, zum Beispiel für das Studio. Podcasts bekommen kein Geld für Plays oder Ähnliches. Das heißt, man ist auf Sponsoren und Werbepartner angewiesen, um überleben zu können. Für uns natürlich keine perfekte Situation, weil wir unabhängig bleiben wollen. Für die Zukunft würden wir dafür gern eine langfristige Lösung finden. Und eine sehr große Hoffnung ist natürlich, dass die Clubkultur sich wieder etwas erholen kann und erst mal gut durch den Winter kommt! Das werden wir begleiten.

Ist der Titel des Podcasts noch zeitgemäß oder steht hier eine Anpassung an?

Die Frage zielt wohl insbesondere auf das SHOW DOWN in unserem Titel. Diesen kann man ganz unterschiedlich auslegen. Natürlich kommt das von der Stilllegung der Branche in der Pandemie. Gleichzeitig ist jedes Gespräch, das wir führen, eine Art Showdown. Wir wollen uns bestimmten Themen stellen, so wie die Szene auch. Aktuell reiht sich Krise an Krise, jetzt brauchen die Clubs Unterstützung, um trotz horrender Energiepreise durch den Winter zu kommen. Der Titel bleibt also doch zeitgemäß. Und wie man sieht, schafft die Szene es immer wieder, sich wie der Phönix aus der Asche zu erheben und neue, bunte, spannende Wege einzuschlagen. Diese Krisen lassen die Menschen näher zusammenrücken – und machen die Szene und die Feierkultur noch stärker. Leute haben schon immer miteinander gefeiert und werden immer miteinander feiern. Und wir werden weiter darüber sprechen.

Leonie Gerner und Julian Krohn (Foto: Leonie Gerner und Julian Krohn)
Leonie Gerner und Julian Krohn (Foto: Leonie Gerner und Julian Krohn)

Am 18. Dezember 2022 feiern Leonie Gerner und Julian Krohn mit SHOW DOWN – Der Feierkultur Podcast die 100. Ausgabe. Zu hören hier und auf allen bekannten Plattformen.

In diesem Text

Weiterlesen

Features

Zehn Jahre Institut fuer Zukunft: „Wir hatten keinen Bock drauf, dass uns alte Leute sagen, wie wir Spaß haben sollen”

Groove+ Zum zehnten Geburtstag zeichnet das Team des IfZ ein ambivalentes Bild des Clubs – und blickt der Zukunft trotzdem optimistisch entgegen.

Der Club Macadam in Nantes: „DJs sollen bei uns am Können gemessen werden”

Groove+ Der französische Club zeigt, dass man für anständiges Feiern am Sonntag keineswegs zwingend nach Berlin fahren muss. Was ihn sonst ausmacht, lest ihr im Porträt.

Paranoid London: Mit praktisch nichts sehr viel erreichen

Groove+ Chicago-Sound, eine illustre Truppe von Sängern und turbulente Auftritte machen Paranoid London zu einem herausragenden britischen House-Act. Lest hier unser Porträt.