Christopher Gebhardt und Stefan Theia (Foto: Presse)
Als sich Christopher Gebhardt und Stephan Theia zum ersten Mal virtuell unterhielten, verstanden sich beide sofort auf Anhieb. Auch wenn sie unterschiedliche Auslegungen ihrer Leidenschaft hatten war das Ziel für beide klar. Ein eigenes Label gründen, mit dem sie ausschließlich Vinyl Releases vertreiben, mit Produktionen von Künstler*innen, die wiederum aus kleinen Szenen stammen. Ihr Label Teja Music hat es sich fortan auf die Fahne geschrieben diese Musiker*innen ohne viel Eingreifen und mit großem Vertrauen zu fördern sowie deren Partys zu stärken. Das und noch einiges mehr, erzählten die beiden während eines Skype Interviews unserem GROOVE-Autor Philipp Thull.
Starten wir mal am Anfang. Wie seid ihr privat zur Musik gekommen?
Chris: Im Alter von vier fand ich das Roland-Keyboard meiner Stiefoma, welches schon mit Effekten und Loop-Funktionen ausgestattet war. Zu Techno bin ich Jahre später gekommen, als die ersten Kassetten von U96s „Das Boot” oder die Techno-Bravo-Hits rauskamen.
Stephan: Ich bin durch meine beiden älteren Brüder mit Techno aufgewachsen. Sie waren schon früh in der Berliner Szene unterwegs. Deswegen konnte ich gar nicht anders, als mich mit Techno zu beschäftigen und später zu produzieren. Für mich war schon durch die ersten Loveparades klar, dass ich DJ werden wollte. Da ich damals noch viel zu jung war und meine Mutter es nicht anders erlaubt hätte, schleppten mich meine Brüder mit Handschellen zur Loveparade. Da ich danach so begeistert war, unterstützte mich meine ganze Familie ab dem Zeitpunkt. Die haben mich auch mit meinem ersten Keyboard und Mischpult ausgestattet. Meinen ersten Auftritt hatte ich mit acht Jahren auf dem Geburtstag meines Bruders. Mit zwölf produzierte ich dann meinen ersten Beat. Du siehst, dass ich gar nicht anders konnte als Techno zu produzieren.
Hat euch damals jemand besonders inspiriert?
Stephan: Die ganzen neunziger Jahre mit Silence, ATB und Scooter. So krass wie das jetzt auch klingt. Für mich war damals schon klar, dass ich die irgendwann mal remixen wollte. Heute sind es eher Leute wie Stephan Bodzin, Marc Romboy sowie einiges, was man unter Future-Techno versteht.
Chris: (lacht) Du hast jetzt nicht wirklich Scooter und ATB genannt oder? Obwohl, als ich in der fünften Klasse war, fand ich „How Much Is The Fish” von Scooter auch super. Aber das war das einzige Mal, soweit ich weiß.
Stephan: Früher gab’s halt nichts anderes.
Chris: Jaja ich versteh schon. Du warst ein Kind und fandest das geil.
Chris: Mich persönlich hat vieles inspiriert. Stephan und ich hören aber auch gerne Rock oder Synthi-Pop. Zum einen wären da Personen wie Quincy Jones, B.B. King und Ennio Morricone und genauso haben mich Dr. Dre, AC DC oder Pink Floyd inspiriert.
Stephan: Bei unserem Label geht’s auch weniger darum, welche Einflüsse wir haben, sondern eher welche der/die Künstler*in mitbringt, den/die wir fördern möchten. Natürlich hat man einen gewissen Stil den man sich vorstellt, aber grundsätzlich sind wir eher daran interessiert, talentierte Künstler*innen zu fördern. Und da ist unser Geschmack eher nebensächlich. In Diskussion stellt sich auch immer wieder heraus, das unser Stil nur recht schwammig beschrieben werden kann. Wenn wir überzeugt von der Person und deren Musik sind, dann überlassen wir denen auch die volle Freiheit.
Danke für die Überleitung. War das die Intention hinter eurem Label?
Chris: Das ist am Anfang erst mal aus der Not heraus entstanden. Ich hatte mich von meinem früheren Label getrennt und dementsprechend keine Plattform mehr, um meine Musik zu veröffentlichen. Ich fand damals schon, dass Stephan der beste Produzent war, den ich bis dato persönlich kannte. Daraufhin fragte ich ihn, ob er nicht Lust hätte unser eigenes Ding zu machen.
Stephan: Wir sind eher durch Zufall mit der gleichen Idee aufeinander zugegangen und es war ziemlich schnell klar, dass wir zusammen arbeiten würden. Das Konzept sowie der Name ergaben sich ziemlich schnell, da wir beide die Idee hatten, den Fokus auf Vinyl zu legen, sowie auf inspirierende und innovative Musik. Es sollte kein Label sein, dass irgendwas macht, was andere auch machten. Es sollte etwas besonderes werden.
Was macht ein Label für euch besonders?
Chris: Das A und O war für uns, dass der/die Künstler*inn und seine/ihre Musik echt ist. Wir wollten hinter die Kulissen gucken und nicht wissen, ob der- oder diejenige hunderttausend Likes auf Facebook hat oder zwanzigtausend Follower auf Instagram. Wir wissen ja alle, dass das meistens nur Show ist. Wir haben beide sowohl mit Vinyl gelernt aufzulegen, als auch analog zu produzieren. Deswegen war uns auch immer wichtig, dass die Person, die wir unterstützen, ihre Musik auch selber schreibt und produziert und im besten Fall diesen Sound auch selber auflegt und damit etwas darstellt. Und nicht irgendwie die Beatport Top 100 spielt.
Stephan: Wir unterstützen kein Ghost-Producing. Wir unterstützen keine Künstler*innen, die eigentlich keine Künstler*innen sind. Personen, die gerade nur einem Trend folgen, sich irgendwo Samples kaufen und mal eben mit irgendeiner billigen Software ein paar Spuren zusammen schmeißen. Uns ist das wirklich wichtig. Das findet man auch ganz schnell heraus, indem man mit der Person schreibt und fragt wie sie produziert, was sie so macht und wie es ihr geht. Das muss wirklich ein innovativer Mensch sein, der seine Sache lebt.
Woher kommen die Künstler*innen, die ihr unterstützt?
Stephan: Zu 80 Prozent aus unserer Familie sowie Leute aus unserem Umkreis oder Personen, die uns unsere Freunde empfehlen. Natürlich bekommen wir auch Demos. Diese hören wir uns gemeinsam an und entscheiden ob der- oder diejenige zu uns passt und unseren Kriterien entspricht.
Also sind es nicht nur Produzent*innen sondern immer auch DJs?
Stephan: Nein. Bei uns sind es eigentlich über neunzig Prozent Produzent*innen. Ich selbst bin auch kein DJ. Meine Passion ist immer noch das Produzieren und darüber bin ich zum Auflegen gekommen. Und ich würde behaupten, dass mehr als neunzig Prozent unserer Künstler*innen Produzent*innen sind und dadurch erst in die DJ-Schiene gekommen sind.
Neben den Releases habt ihr auch mit TejaDrum.TV angefangen? Was war eure Idee für diese Sendung?
Chris: Das ist leider durch Corona etwas eingeschlafen, da wir im Moment keine Partys machen können. Wir haben ganz kurz überlegt, ob wir welche illegal veranstalten sollen, aber das wäre ziemlich verantwortungslos. Unsere Idee hinter TejaDrum war, dass wir mit den Künstler*innen, deren lokale Szene besuchen und vorstellen.
Stephan: Wir wollten wieder etwas Schwung in die etwas eingeschlafene Techno-Welt bringen, indem wir den Fokus auf die kleinen Szenen und deren Akteure legen und nicht nur auf die A-Klasse DJs.
Wie geht ihr momentan mit der Corona-Krise um?
Chris: Am Anfang haben wir Live-Streams veranstaltet, aber das macht ja inzwischen jeder. Wir hatten zwar auch unsere tausend Views, aber der Markt war schnell übersättigt. Wenn die Leute etwas gucken wollen, dann schauen die sich Adam Beyer an.
Stephan: Wenn ich mal kurz dazwischen quatschen darf. Ich höre immer Corona-Krise. Wenn ich zurückdenke, bedeutet Corona für uns Produktivität pur. Wir sind in letzter Zeit viel mehr zusammengekommen und uns ist aufgefallen, dass es momentan in der Szene richtig abgeht, und wir nur durch Corona auf neue Konzepte gekommen sind.
Chris: Die Plattenverkäufe sind am Anfang etwas zurück gegangen, jetzt gehen sie wieder hoch. Man merkt ein bisschen, dass die Leute kein Geld haben. Was die Kreativität und unsere Gesundheit angeht, war es ganz gut, aber mir fehlt das Feiern trotzdem. Gleichzeitig denke ich, dass es danach umso besser wird. Vielleicht werden wir dann sogar wieder Zeiten wie Ende der Neunziger, Anfang der Zweitausender erleben. Dass die Leute wieder richtig Bock haben zu feiern und nicht nur mit dem Handy im Club stehen.
Stephan: Ich glaube auch, dass die kleinen Szenen wieder in den Vordergrund rücken könnten. Gerade bei den Streams, da liegt der Fokus nicht nur auf den großen DJs. Ich muss auch sagen, dass ich noch nie so viele Projekte fertiggestellt habe wie momentan. Vor Corona war es so, dass alle ständig feiern waren und die ganze Woche einen Kater hatten. Jetzt kann man sich, selbstverständlich nur im kleinen Kreise, treffen und produktiv sein. So blöd es klingt, dieses stupide feiern gehen war eher der Punkt, der kontraproduktiv war. Jetzt setzt man sich eher auf seinen Hosenboden und sagt: Wir machen’s auch mit Mundschutz.
Chris: Das habe ich auch digital so erlebt. So haben wir uns, nebenbei bemerkt, kennen gelernt. Erst wurde das Label 2013 gegründet und danach haben wir uns getroffen. Stephan und ich werde nächstes Jahr außerdem jeweils ein Album veröffentlichen.
Wenn ihr sagt, ihr habt ein paar neue Ideen, ist davon schon etwas spruchreif?
Stephan: Wir haben ein neues Konzept für ein Label geschrieben, wo es nicht mehr um die finanzielle Schiene geht, sondern wo der Hauptfokus auf dem Artist liegt. Noch viel mehr, als wir das bisher schon haben. Aber ich möchte jetzt noch nicht zu viel verraten.
Chris: Wir haben im Moment einen Vinyl-Contest mit dem Faze Magazin am Laufen. Die Tracks der Gewinner*innen gehen dann zu den Presswerken und die Erlöse gehen an die Clubs, die durch Corona besonders schwer gelitten haben. Jeder Club kann sich gerne bei uns melden und wir packen selber noch eine Spende oben drauf. Außerdem haben wir noch ein Konzept mit Live-Sets und Battles verfasst, ähnlich wie „Rap am Mittwoch” im Hip-Hop-Bereich, das nur noch auf die Umsetzung wartet.
Habt ihr euch mal gefragt, wo ihr euch in fünf Jahren seht?
Chris: Ich hab schon größere Visionen. Ich möchte unter die fünf besten, nationalen Labels kommen und würde gerne davon leben.
Stephan: Das ist genau der Zwiespalt bei uns. Chris möchte, auch zurecht, dass das Label Erfolg hat. Er ist der treibende Faktor bei uns. Bei mir steht eher die Realness im Vordergrund, und das irgendwie alles in Ordnung ist.
Chris: Dass wir nie ins kommerzielle Abdriften, aber trotzdem voran kommen. Mir geht’s gar nicht um das Finanzielle, sondern eher um die Vermarktung.
Stephan: Chris verfolgt eher seine Ziele. Die hab’ ich gar nicht so.
Chris: Wir sind schon sehr gegensätzlich, aber diese Gegensätze machen es auch wieder aus.
Wie sind denn die Aufgabenverteilungen bei euch?
Chris: Stephan kümmert sich um die digitalen Verkäufe und ich kümmere mich um die Plattenpressung und den Vertrieb. Entscheiden tun wir aber immer zusammen. Stephan hat zum Beispiel die Moderation von Drum.TV übernommen, was ich persönlich sehr cool finde. Ich schreibe eher die Businesspläne und Konzepte. Zusätzlich kümmere ich mich um die Steuern, Buchhaltung und Qualitätsmanagement. Oft ist es auch so, dass Stephan gute Ideen hat und ich sie in einem Konzept zusammenfasse.
Stephan: Genau. Und ich übernehme noch die Künstler*innenbetreuung, das Artwork und die PR-Arbeit.
Arbeitet ihr mit einem Distributor zusammen oder vertreibt ihr eure Releases selber?
Chris: Wir haben einen Exklusivvertrag mit Vinyl-Labor sowie Deejay.de und es gibt die Platten auch vergünstigt in unserem Online-Shop. Leider sind viele Plattenläden am sterben. Komischerweise ist der Plattenverkauf aber in einer Hochzeit. Ich glaube es werden so viele Platten verkauft wie zuletzt in den achtziger Jahren.
Stephan: Wir hatten die Idee, dass die Distribution wegfällt und wir diese Arbeit selber übernehmen und auch selber produzieren.
Chris: Genau. Wir würden die Platten gerne nicht mehr pressen lassen, sondern selber recorden. Es gibt neue Techniken, dass man Platten direkt am Plattenspieler aufnehmen kann und es soll Ende Dezember 2020 zusätzlich ein neues Cut-Gerät rauskommen, mit dem wir dann selber produzieren können. Wir werden sehen.