Jeden Tag werden DJ-Mixe ins Netz geladen. Manche sind besser, manche sind schlechter und nur wenige werden uns jahrelang begleiten. Jeden Monat sucht die GROOVE-Redaktion die fünf besten Mixe des vorangegangenen Monats aus, präsentiert in alphabetischer Reihenfolge. Diesen Monat mit François K, Go Nuclear, Gilles Wasserman, Moxie, rydimorri und Zanias. Und wer danach noch nicht genug hat, schaut einfach mal beim GROOVE-Podcast vorbei.

François K – Isolation Streams in 2020

Die Anzahl an Podcasts steigt unaufhaltsam: Vor allem im Corona-Jahr 2020 haben digitale Mixe teilweise fast inflationäre Züge angenommen. Man kann sich glücklich schätzen, wenn man die Zeit findet, um nur einen Bruchteil davon schafft und die Sahnehäubchen entdeckt. Glücklicherweise gibt es Musikliebhaber*innen und Institutionen, die regelmäßig Listen erstellen, um die wichtigsten Sets rund um den digitalen Globus nicht zu verpassen. Besonders dankbar ist man, wenn dann eine Liste von Mitschnitten auftaucht, die von einer Person veröffentlicht wurde, die seit der Disco-Ära Musik lebt und mitgestaltet – so wie  François Kevorkian. Er war Produzent und Remixer für Künstler wie Kraftwerk, Depeche Mode und Diana Ross und mit Larry Levan auf Tour, bis dieser im November 1992 verstarb. Er gründete das Aufnahmestudio Axis Studios in New York, das er oberhalb des legendären Studio 54s einrichtete. 2005 wurde er in die Dance Music Hall of Fame aufgenommen. Heutzutage kennt man François K als einen der erfahrensten DJs und Selectors weltweit. Für alle die bisher nicht in den Genuss kamen, seine Passion live zu erleben, hat er vor fünf Monaten angefangen, themenbezogene DJ-Sets im Netz zu veröffentlichen. Unter dem Motto „Lost In Music”, erzählt er anhand von stundenlangen Aneinanderreihungen neuer und alter Stücke musikalische Geschichten. Von Bump’n’Boogie bis hin zu Tributes von Prince oder Tony Allen. Von Soul Healing über Classic Skating Jams. Jede einzelne Zusammenstellung ist eine wahre Freude, weswegen es dieses Mal eine Liste in der Liste gibt. Und das Beste daran: Jeden Freitag kommt eine dazu. Also lehnt euch zurück und verliert euch in der Musik, wann immer euch danach ist. Philipp Thull

Gilles Wasserman – The Night Before #5 (RADIO.D59B)

RADIO.D59B ist eine Musik- und Streaming-Plattform für Künstler*innen und Musik-Enthusiast*innen ohne professionelles Engagement. Gegründet am ersten Tag des Jahres 2018 von zwei lebenslangen Freunden und der kleinen Schwester, die sie von klein auf begleitet. Mit Sitz in Belgrad und Berlin streamen die Jungs und das Mädchen rund um die Uhr alle mögliche Musik, die sie begeistert und inspiriert. Finanziert wird der Radiosender großteils von Spenden der Hörer*innen. 

Jeden letzten Dienstag im Monat erscheint die monatliche Serie The Night Before von dem aus Belgrad stammenden DJ Gilles Wasserman. Bevor er 2006 nach New York zog, hat auch er bei einem kleinen Radiosender in der Nähe von Belgrad gearbeitet. In den sieben Jahren hat Gilles seine Fähigkeiten als DJ und sein Gespür für hochwertige Musik verfeinert und sich immer mehr zu B-Seiten und Dub-Versionen von Veröffentlichungen mit minimalen und tiefen House-Grooves hingezogen gefühlt. In seiner fast 20-jährigen Karriere als DJ hat sich Wassermans Sound mit Laurent Garnier und seinem F-Communications-Label, Brique Rouge Records und deutschem Minimal House als frühe Einflüsse entwickelt. 

In der fünften Ausgabe taucht man von Anfang an bis zum Ende ein in ein elektronisches Meer aus emotionalen Pads, verspielten Percussions und Downtempo-Breakbeats. Ideal, um an hektischen Tagen in Zeiten der Isolation abzuschalten und sich den Klängen von Gilles Wasserman völlig hinzugeben. Simon Geiger

In The Bubble Bath With: Go Nuclear

Wenn die Tage kürzer und kälter werden ist es gut, Musik zu haben, die einem so richtig schön einheizt. Tim Checkley vom neuseeländischen Produzenten- und DJ-Duo Go Nuclear liefert mit seinem neuen Mix für die Podcastreihe der Berliner „Bubble Bath“-Crew 37 Tracks, komprimiert in 56 Minuten pure Energie voller Electro, Ghetto und Techno Banger. Trippiger Acid trifft auf heavy Basslines und kitzelnde Breakbeats in einem Spektrum, das von Hip-Hop bis Hardcore reicht. Dabei bedient sich der im fernen Auckland lebende Künstler sowohl eigener Produktionen als auch jener eingefleischter Koryphäen aus den 90ern wie DJ Assault und Erik Travis. Tracks vermischen sich miteinander und kreieren dabei neue. Die Übergänge sind clever und pointiert, manchmal klar, schnell und radikal à la Jeff Mills, manchmal kaum merkbar, fließend und schmelzend. Oder wie der Künstler selbst sagt: „You can’t fuck around, just play the good bit of the record and get out of there!“. Die Stimmung ist energetisch und heiß. Das passt auch gut zur eigentlichen Bubble Bath Party, die findet nämlich meistens in der Klappe statt. Stickig, dunkel, geladen. Eine Atmosphäre, die wir alle schon ein bisschen vermissen. Also: Augen zu, Kopfhörer auf und sich für eine Stunde wieder ein bisschen wie auf einer verschwitzen Tanzfläche in einem Berliner Keller fühlen. Jan Goldmann

Moxie – Beats in Space Radio Show #1065

Auch in Zeiten abgesagter Veranstaltungen bleibt Moxie beschäftigt. Jede Woche bringt sie eine neue Ausgabe ihrer NTS-Radio-Show heraus. Diesen Monat hat Moxie allerdings auch die Ohren der Beats-in-Space-Hörer*innen beglückt. Wenn sie nicht gerade selbst auflegt, füllt Alice Moxom alias Moxie ihre Zeit als Bookerin, Promoterin und Musikverlegerin. 2016 rief sie das Imprint und Veranstaltungsreihe On Loop ins Leben. Damit will sie besonders Frauen in der elektronischen Musikszene mehr in den Vordergrund rücken. Da scheint es kein Zufall, dass ihr DJ Name, eigentlich ein alter Spitzname, einen eigenen Wörterbucheintrag hat. Das Wort Moxie beschreibt Charakterstärke, geprägt von Entschlossenheit und Mut. Und etwas Moxie braucht Moxom wohl, um ihren vielen Beschäftigungen nachzugehen.

Weniger vorpreschend kommt ihr Mix für Beats in Space daher. Diesen leitet Moxie ruhig und ambientgetränkt ein, bevor sie an Fahrt zunimmt. Mit federweichen Übergängen verbindet die Nord-Londonerin House- und Techno-Tracks, die durch irdisch und teils überirdisch klingende Samples dem Mix eine gewisse Leichtigkeit verpassen. Moxie rundet dabei Ecken und Kanten ab, ohne im Einheitsbrei zu versinken. Der Mix klingt weder hart noch anstrengend fordern, sondern weich und angenehm, sodass man den Boogie gut ansehens steigender Infektionszahlen ins eigene Zimmer verlagern kann. Louisa Neitz

rydimorri – INTERSTELLAR RADIO TRANSMISSION

Das Drexciya Research Lab ist ein Blog, der vom irischen Filmemacher und Musiker Stephen Rennicks ins Leben gerufen wurde. Auch auf Social Media aktiv, bereitet das Projekt sämtliche belastbaren Infos über das ikonische Detroiter Electro-Duo und dessen Solo- und Nebenprojekte für seine Follower mundgerecht auf. Das involviert historische Zeitungsschnipsel, Veranstaltungen, Comicbücher, sonstige Memorabilia und natürlich musikalische Reminiszenzen. Eine solche ist zwei Stuttgartern namens morri und Rydimfactor in Form eines knapp 90-minütigen Mixes besonders eindrucksvoll gelungen. So eindrucksvoll, dass es fürs Research Lab als logischer Schritt erschien, das Set zu teilen.

Dieses klingt wie aus einem Guss und folgt dabei einem betont klassischen Aufbau; Ambient und gemächliche Stücke an den Anfang, die Intensität steigert sich etwa nach einer halben Stunde und bleibt dann konstant hoch. Die Spielzeit teilen sich Klassiker („Lost Vessel”), die der geübte Fanboy schnell dechiffriert, obskurere Tracks und verwandte Projekte wie Heinrich Muellers Kollaboration mit The Exaltics („Dimensional Shift”) auf. Klar wird angesichts der ausgewogenen Mischung aber vor allem, welche Bandbreite James Stinson und Gerald Donald mit ihren zuvorderst als Electro klassifizierten Tracks abdeckten. INTERSTELLAR RADIO TRANSMISSION ist ein Testament der Vielseitigkeit, das sich für ausgewiesene Drexciya-Nerds und Einsteiger*innen gleichermaßen lohnt. Maximilian Fritz

Zanias – HATE Podcast 206

Beim Blick auf Alison Lewis’ alias Zoé Zanias Biographie kann man schon mal neidisch werden. In Australien geboren verbrachte die Künstlerin ihre Jugend in Südostasien und studierte später in London. Ihrer akademischen Karriere hat sie allerdings seitdem den Rücken zugewandt. Mittlerweile hat die Musikerin ihre Heimat in Berlin gefunden und widmet sich ausschließlich der Musik. Früher als Stimme von Linea Aspera und Keluar bekannt, tritt Lewis heute auch unter dem Namen Zanias als Solo-Performerin und DJ auf. Ihr Sound lässt sich am besten als Mischung aus EBM-, Industrial- und Techno-Elementen beschreiben. Die einende Konstante ist dabei ihre Stimme, die sich allgegenwärtig durch ihre Tracks zieht. 2016 erschien Zanias Debüt-EP To The Core. Seitdem hat sie sich mit Kollaborationen und Remixen von namhaften Produzenten wie Dax J und Unhuman auch auf den Techno-Floors etabliert. Mit ihrem Mix für HATE präsentiert sie ihre Liebe für Achtziger-Jahre-Wave-Reminiszenzen, Electro-Breaks und Techno. Nebenbei spielt sie ein sehr überzeugendes Set, das wieder einmal schmerzlich daran erinnert, dass Clubnächte vorerst der Vergangenheit angehören. Johann Florin

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