Oli XL – Rogue Intruder, Soul Enhancer (Bloom)
Derzeit kommt wieder verstärkt viel gute elektronische Musik aus Schweden. Varg, Peder Mannerfelt, das Kontra-Musik-Umfeld sind bloß ein paar der Namen, die seit einer Weile mit originellen Ansätzen aufmerken lassen. Im Fall von Oli XL hingegen kommt dessen aktueller Einwurf scheinbar aus dem Nichts. Denn wirklich viel Musik hat der Stockholmer Produzent ansonsten noch nicht vorgelegt. Jetzt also Rogue Intruder, Soul Enhancer. Ein Debütalbum, auf dem eigenen Label Bloom online herausgebracht. Und mit einem Klang, der Vertrautes auf sehr synapsenförderliche Weise fremd klingen lässt.
Oliver Sehlstedt, so sein bürgerlicher Name, ist bei genauerem Hinschauen aber schon seit einigen Jahren aktiv. So gab es den einen oder anderen Compilation-Gastbeitrag, unter anderem auf PAN, und mit W-I hat er vor Bloom schon ein anderes Label betrieben, auf dem er, neben seinen eigenen EPs, etwa durch Covergestaltung und als Toningenieur in Erscheinung getreten ist.
Rogue Intruder, Soul Enhancer ist in seiner Klangpalette kräftig reduziert, fast metallisch spröde. Zugleich sind seine meist knappen Nummern von einer trockenen Dringlichkeit, die den Eindruck entstehen lässt, Breakbeats, von denen es bei ihm reichlich gibt, könnten eigentlich nur so klingen wie hier. Nicht unbedingt dominierend oder tanzfixiert insistierend, dafür sich hinschleppend, mit Unterbrechungen wie ruckartigem Atemholen, dann wieder unerwartet hochbeschleunigt einsetzend. Britische Bassmusik und Garage stecken darin, vorwiegend als teilfertige Struktur, die den Track gleichwohl trägt. Mitunter, wie in „Flower Circuit“, kann man sich dazu sogar Menschen im Club in Bewegung vorstellen. Oft kommen Harmonien hinzu, wie ausgehöhlt, mit Akkorden, in denen man beileibe keine Fläche erkennen kann, eher Punktereignisse.
„Rogue Intruder, Soul Enhancer“ geht ruhig seinen stolpernden Gang. Man ist dann umso mehr irritiert, wenn es nach 42 Minuten wieder vorüber ist.
Dass sein Album bei aller Sparsamkeit in der Ausstattung immer noch eine sehr direkte Wärme ausstrahlt, liegt an den Stimmen, die Oli XL ausschließlich in stark verfremdeter Gestalt singen oder auch einfach mal bloß sprechen lässt. „Jet Generation“ stellt eine der dringlichen Fragen, die junge Menschen dieser Tage so umtreiben: „Can you be my ringtone?“ Was in seiner zeitgemäßen Art der technologischen Metaphernbildung wieder etwas anrührend Zärtliches hat. Ist das eigene Smartphone doch längst einer der intimsten Begleiter im Alltag geworden, eine Art Partner im Hosentaschenformat.
Noch ergreifender, obwohl fast aller menschlichen Intonationsmerkmale beraubt, wirkt die Stimme in „Clumsy“, einer der „Singles“ des Albums. Da spricht ein melancholischer juveniler Computer, wie es scheint, die Zeilen „Soy un perdedor. I’m a loser, baby, so why don’t you kill me?“ Nicht so mitschunkelig versöhnlich wie bei Beck, sondern, in seiner digitalen Distanziertheit, auf existenzielle Weise verloren und damit freundlich verstörend.
Was an „Rogue Intruder, Soul Enhancer“ zusätzlich überrascht, ist, wie homogen es daherkommt und kaum markante Höhepunkte setzt, sondern sich als ein in seiner Fragmentiertheit dennoch zusammenhängendes Ganzes präsentiert, das ruhig seinen stolpernden Gang geht und dann umso mehr irritiert, wenn es nach 42 Minuten wieder vorüber ist. Nicht weil etwas fehlen würde, sondern weil man danach erst so richtig merkt, wie wohl man sich mit dieser spielerisch virtuosen Form der Reduktion gefühlt hat, als sie gerade noch im Raum war. In seiner seelenverstärkenden Fein- und Eigensinnigkeit eines der Alben des Jahres. I feel liquid love. Tim Caspar Boehme