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HAAi: Nicht gesucht und doch gefunden

Alle Fotos: Presse (HAAi)

„Es kann auch sein, dass jemand abgesagt hat und sie mich deswegen auf die Schnelle gefragt haben.“, vermutet Teneil Throssell grinsend, als sie auf ihren Essential Mix für BBC Radio 1 zu sprechen kommt. Ihr Beitrag zur prestigeträchtigen Serie markiert den vorerst letzten Meilenstein in HAAis dynamischer Laufbahn. Über zwei Stunden entführt sie den Hörer ins Reich des psychedelischen Eklektizismus: Zwischen E-Unitys vertracktem „Perihelion“ und Grauzones NDW-Blaupause „Eisbär“ sucht und findet die Australierin etliche weitere Nischen, um ihrer vielfältigen musikalischen Prägung Ausdruck zu verleihen. Die hohe Varianz in ihren Sets resultiert nämlich keineswegs nur aus einer kurzen Aufmerksamkeitsspanne, wie sie halb im Scherz, halb ernst behauptet. Tatsächlich liegt der Schlüssel zu ihrer musikalischen DNS in ihrem Hintergrund als Gitarristin begraben: „Ich mache Musik stets mit dem Hintergedanken, sie live zu spielen“. Was sie da fabriziert, etwa im Falle ihres bekanntesten Stücks „Be Good“, weiß sie selbst nicht genau: „Meine Tracks bestehen nur aus komischen Tönen, die ich zusammenquetsche.“ Das klingt als Aussage willkürlich, das Resultat aber mitnichten.

Während ihrer Kindheit in einer westaustralischen Kleinstadt schnappt sie sich aus Mangel an Alternativen die Gitarre ihrer Schwester. Sie entwirft erste Songfragmente, spielt in Bands und entdeckt die Sogkraft von effektgeladenem Shoegaze und Psychedelic Rock. Vor allem letzterer spielt fortan eine große Rolle: In Sydney angekommen gründet sie zusammen mit Ash Moss die Kombo Dark Bells und zieht nach Jahren als Friseurin schließlich nach London, um dort den Durchbruch als Musikerin zu schaffen: „In Australien gibt es diese romantische Vorstellung, dass das Größte, was man erreichen kann, ist, in Europa was Kreatives zu machen. Wenn du durch Europa tourst und irgendwann zurückkommst, denkt jeder, du bist eine Art Superstar. Egal vor wie vielen Leuten du gespielt hast.“, umreißt sie amüsiert die Mentalität ihrer Heimat. Parallelen zu Down Unders Aushängeschild Nick Cave und seiner Band Birthday Party um Gitarrist Rowland S. Howard, die Throssell als „nationales Kulturgut“ bezeichnet, entspinnen sich: Die Kindheit auf dem Land sowie der Umzug nach London markieren für sie Wegpunkte in einer australischen Musikerlaufbahn.


Stream: HAAi – BBC Radio 1 Essential Mix

In der englischen Hauptstadt offenbaren sich dann aber zusehends Differenzen innerhalb der Band. Der letzte Gig auf dem Glastonbury 2014 avanciert dank vergessener Pedals und einem schlechten Klima innerhalb der Gruppe zum Misserfolg, Dark Bells lösen sich auf. Diese Zeit und ihr unsauberes Ende nagen nach wie vor an Throssell, deren Miene sich während des 90-minütigen Gesprächs nur einmal verfinstert. „Ich fühle mich davon wirklich verfolgt, als sie einen unserer Songs im Intro des Essential Mix’ gespielt haben, schlug mein Herz ziemlich schnell“, illustriert sie den emotionalen Ballast, den das zerrüttete Verhältnis nach wie vor mit sich bringt.

Übrig bleibt nach der Trennung eine energiegeladene junge Frau mit nerdigem Musikgeschmack und einem starken Hang zum Psychedelischen, die nun erste Schritte in Richtung DJing unternimmt. Beruflich hinter den Decks zu stehen kommt ihr nicht in den Sinn, die spätere internationale Karriere liegt in weiter Ferne. „90s-R’n’B ist lustig – aber nur einmal im Jahr oder so“ erklärt Throssell ihre Motivation, das dürftige musikalische Programm einer Bar in Hackney, in der sie in unregelmäßigen Abständen auflegt, generalzuüberholen. Sie präsentiert dem Publikum ein Potpourri aus von ihr schlicht als „weltmusikalisch“ klassifizierter Indie- und Tanzmusik auf einem „richtig miesen Soundsystem“. In dieser Phase entsteht auch das Pseudonym HAAi, das sie kurzerhand einem Songtitel der indonesischen Band The Panbers entlehnt.

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