burger
burger
burger

ItaloJohnson – Groove Podcast 126

Foto: Presse (ItaloJohnson)

ItaloJohnson, der Name allein weckt schon genug Assoziationen. So könnte der Held eines Spaghetti Western-Streifens heißen oder ein dem Mailänder Achtziger-Sound zugeneigter, US-amerikanischer Produzent. Als 2010 die erste ItaloJohnson-Single auf dem gleichnamigen Label erschien, sah zuerst alles nach bewusster Geheimniskrämerei aus. Vinyl-only, und das gestempelt, dazu keine weiteren Infos. Sieben Jahre später haben sich die House-Heads endlich eingekriegt und die drei Produzenten hinter dem anspielungsreichen Namen können sich weiterhin auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren: slammenden, tooligen House für den Peak-Time-Bedarf. Ihr Beitrag zu unserem Groove-Podcast allerdings zeigt die drei sich weiterhin in dezente Anonymität hüllenden DJs allerdings von ihre technoiden Seite und geht dabei tief unter die Gänsehaut.


Eure Geschichte begann vor mehr als einem Jahrzehnt in der Panorama Bar. Was schweißte euch dort zusammen?
Das war zum einen der damalige Flow in der Panorama Bar. Die Sonntage, die schließlich irgendwann am späten Nachmittag endeten waren enorm intensiv und komprimiert. Alle, die da noch da waren, saßen buchstäblich im selben Boot und beendeten die Nacht auch gemeinsam. Hinzu kam unserer Liebe für reduzierte und funktionale Musik. Die Situation, unser Zustand, der Raum und die Anlage machten das dort für uns zu einem absolut einzigartigen und prägenden Gesamtpaket. Nicht zuletzt teilten wir eine große Liebe für das Feiern. Das war wahrscheinlich – oder ganz sicher – der nötige Kitt, der das Ganze nachhaltig zusammengeschweißt hat.

Seit eurem ersten Release wird darüber gerätselt, um wen es sich bei ItaloJohnson handle. Was ist eure liebste ITJ-Verschwörungstheorie?
Eine durchaus beliebte Theorie ist die des Trios dreier Italiener, die Italo Disco produzieren und auflegen. Das schwappt zum Teil bis in den journalistischen Bereich hinein. Bei der Ankündigung einer Party wurde dieses „Steckenpferd“ als selbsterklärend beschrieben.

Auf eurer neuen Single ITJ11 arbeitet ihr mit dominanten Vocal-Samples. Wie sind die Tracks entstanden?

Vocals passen einfach gut in unsere Arbeitsweise und unsere Tracks. Das passiert auf ganz natürliche Art. Wir haben auch außerhalb des gemeinsamen Studios immer ein Ohr für Vocals. Die Quellen sind da ganz unterschiedlich. Oft sampelt einer von uns etwas und bringt es dann mit zur gemeinsamen Session oder wir sampeln gemeinsam im Prozess. Was die Dominanz des Vocals auf der A-Seite betrifft, lässt sich generell schon sagen, dass wir in unserem natürlichen Produktionsfluss meist die B-Seite zuerst fertig haben. So braucht es bei der A-Seite gefühlt dann ein bisschen Fleisch auf den Knochen und Programm. Bei der ITJ11 haben schließlich nicht wir das Vocal ausgesucht. Vielmehr hat das Vocal uns aufgerissen.

Zu dritt müsst ihr euch sowohl die Einnahmen aus Plattenverkäufen wie auch aus Bookings teilen. Könnt ihr allein von der Musik leben? Welchen Stellenwert hat ItaloJohnson in eurem Leben?
Das ist eine überaus spannende und auch erdende Frage. Dazu lässt sich in jedem Fall sagen, dass wir mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben sind, haha! Wir haben alle Jobs, die letztlich alle etwas mit Musik zu tun haben und uns neben einer Stabilität auf vielen Ebenen die größtmögliche Flexibilität für unsere Leidenschaft bieten. Der Stellenwert des Projektes war bei uns schon seit jeher sehr groß. Es sprudelt ja aus uns heraus und ist unser gemeinsames Baby. Die Balance zu finden zwischen Arbeit, Auflegen samt Parties und Leben drumherum war allerdings schon immer ein Thema, und nicht immer einfach. Da ist es ganz gesund, dass sich unser Projekt verhältnismäßig langsam weiterentwickelt und wir unser jeweiliges Setting analog dazu anpassen können. Leidenschaftlich Musik zu machen und nicht total abhängig hiervon zu sein (was bei einem Trio sowieso schwierig ist, sofern kein Mega-PR-Konstrukt), hat sich für uns als essenziell erwiesen, um Spaß zu haben. Und darum geht es uns in erster Linie.

Ihr habt mal in einem Interview erklärt, ihr würdet eure Sets nicht vorbereiten. Wie packt ihr dann eigentlich eure Plattentaschen?
Es ist natürlich nicht so, als würden wir uns gar nicht auf Sets vorbereiten. Jeder packt für sich nach bestem Wissen und Gewissen seine Tracks, die zu unserer gemeinsamen Vision passen „könnten“. Wir sprechen uns vorher aber nicht explizit über Tracks und Co. ab. Wenn ein Gig ansteht, haben wir schon im Hinterkopf, ob es ein Warm-up, die komplette Peak Time oder ein All-Nighter ist und ob der in einem Keller stattfindet, ein Open Air ist, ein kleiner, intimer Club oder eine Großraum-Disco ist, ob die Promoter eher für House oder Techno stehen etc. Alles andere ist dann schließlich Versuch und Irrtum.

Wie geht ihr zu dritt einen nur einstündigen Mix wie für den Groove-Podcast an und was war euer Gedanke hinter diesem?

Die Selektion für einen Mix entsteht meist natürlich, und zur Not mit der Brechstange. Wir haben in unserem durchaus unterschiedlichen Geschmack eine größere Schnittmenge, auf die wir uns beziehen. Mit Blick auf das jeweilige Medium oder Umfeld tragen wir die Tracks zusammen, die dann ausgewählt, arrangiert und gemixt werden wollen. Wir möchten an dieser Stelle keinesfalls andere Mixe in irgendeiner Art relativieren, jedoch ist der Groove-Podcast für uns als alte Groove-Wegbegleiter etwas Besonderes. Es geht uns darum, einen speziellen Vibe zu generieren – eine Geschichte zu erzählen, die uns am Herzen liegt. Der Mix ist dieses Mal technoid, langsamer, entschleunigender. Unser Hintergedanke ist dabei nicht, auf den Techno-Zug aufzuspringen und uns musikalisch neu positionieren. Wir alle haben und hatten schon immer ein großes Herz für Techno. 
Ohne hier ein übermäßig großes Fass aufzumachen und allzu pathetisch zu werden, betrachten wir die Entwicklung der (Techno-)Industrie zurzeit allerding sowohl mit einem glücklichen als auch einem besorgten Auge. Eine auf vielen Ebenen gefühlte Höherschnellerweiter-Mentalität, die Allgegenwärtigkeit und Ausschlachtung, die Reizüberflutung durch massivsten Output auf allen Kanälen, die zu einer absoluten Übersättigung, Abstumpfung und folglich minimierten Aufmerksamkeitsspanne/-fähigkeit zu führen scheint – wo sich der Kreis somit wieder schließt. Wir hoffen inständig, dass sich diese Industrie, die wir so lieben, nicht sehenden Auges perspektivisch vor die Wand fährt. So, langer, intensiver Rede kurzer Sinn: Wir wollten einen Mix machen, zu dem man tanzen kann, aber nicht muss, der etwas Ruhe reinbringt, ohne offensichtlich nicht für die Tanzfläche gedacht zu sein.

Last but not least: Wo können wir euch in nächster Zeit hinter den Decks erleben und was sind eure weiteren Pläne als Produzenten?

Aufgrund der Tatsache, dass wir ja auch alle arbeiten, dauert es mit unseren Produktionen immer ein wenig. Zufällig kommt aber jetzt gerade unsere ITJ11 raus. Ein weiterer, seltener und noch geheimer Remix kommt in absehbarer Zeit.
 Parallel dazu haben wir unser eigenes Remix-Projekt, bei dem es langsam an der Zeit ist, die 02 in Angriff zu nehmen. Das dauert allerdings noch bis 2018. 
In Deutschland werdet ihr uns im November am 05.11. in der Panorama Bar in Berlin und am 10.11. im Blitz in München hören können. Im Dezember spielen wir am 16.12. wieder ein Allnighter im PAL in Hamburg.
 Darüber hinaus sind wir im Oktober und November unter anderem im Phonox/London, Motion/Bristol und Warehouse Project/Manchester dabei.


Stream: ItaloJohnson – Groove Podcast 126

01. Atom TM – Ich Bin Meine Maschine
02. Architectural – Plastic Dreams
03. Sigha – Between Here & Yesterday
04. Endian – XS-10
05. Juxta Position – Kinaesthesia
06. Christian Morgenstern – Miscellaneous Pt. 7 (Trolley Route RMX)
07. Delta Funktionen – A Drone Killed My Bunny
08. Rhythmic Theory – Endless Forms
09. Decka – 003
10. Cari Lekebusch – Octo
11. Endian – Sub Tropic
12. Peace Division – Get Over It
13. Rozzo – Kamala

In diesem Text

Weiterlesen

Features

[REWIND 2024]: Die Szene ist der Sargnagel im Berliner Clubsterben

Dieser Text ist Teil unseres Jahresrückblicks. Alle Texte findet ihr hier. Berliner Clubs sperren zu, man nennt es Clubsterben. Watergate, Renate, Loophole und so weiter. Die...

Motherboard: Dezember 2024

Das letzte Motherboard des Jahres hebt mit luftwurzelwuchernden Sounds und Gemüts-Geräuschen die Restwärme im Leftfield an.

[REWIND2024]: So feiert die Post-Corona-Generation

Die Jungen feiern anders, sagen die Alten – aber stimmt das wirklich? Wir haben uns dort umgehört, wo man es lebt: in der Post-Corona-Generation.