Fotos: Presse/Elysia
Zuerst erschienen in Groove 162 (September/Oktober 2016).
Die Binsenweisheit, dass der Sound eine der tragenden Säulen sei, auf der ein erfolgreicher, bestenfalls legendärer Club ruhe, dürfte hinlänglich bekannt sein. Bei der Neukonzeption des Elysia-Clubs in Basel wurde diesem Umstand nicht nur beiläufig als Mittel zum Zweck Rechnung getragen, sondern vielmehr der gesamte Tanzraum mitsamt der PA für ein optimales Hörerlebnis maßgeschneidert. Wir haben den Betreiber Guy Blattmann und die Firma Lambda Labs, die sich für das wegweisende Lautsprecher-Konzept verantwortlich zeichnet, zu einem gemeinsamen Gespräch in Basels neuem Klangtempel getroffen.
Das Bild eines Tempels ist in diesem Fall nicht grundlos gewählt, denn unmittelbar beim Betreten des Mainfloors fällt der Blick auf die enorme Boxenwand, die – zusammen mit dem zentral in der Mitte der Längsachse positionierten DJ-Pult – einen geradezu sakralen Eindruck vermittelt: Hier feiert man keine Partys, hier zelebriert man Sound. Ein ausgefeiltes „Projection-Mapping“, das auf die mit weißem Polyurethan beschichteten Hörner ausgerichtet ist, setzt diese zusätzlich noch effektvoll in Szene. Selbst auf eine Bar wurde im Hauptraum verzichtet, um jede unnötige Ablenkung vom Musikerlebnis zu eliminieren. Wer auf die Schnelle einen Drink braucht, wird durch eine kleine, nahezu unsichtbare Durchreiche am Rand der Tanzfläche bedient.
Den Raum an das System anpassen
Den Wunsch der Betreiber, das DJ-Pult im Zentrum der langen Seite des rechteckigen Raumes zu haben, stellte die Macher von Lambda Labs vor eine ganze Reihe von Problemen. Allen voran die Stereoabbildung: Es sei generell unglaublich schwierig auf dieser Breite ein intaktes Stereobild zu bekommen, sagt Steffen Kroschel von Lambda Labs, hinzu kommt, dass ein einzelnes Horntopteil der neuen QX-Serie einen horizontalen Abstrahlwinkel von nur 30° hat. An sich ein gewünschter Effekt für Größtbeschallungsaufgaben, welcher aus der basalen Charakteristik dieser Konstruktion resultiere, ergänzt sein Kollege Reinhard Nell: Diese scharfe Bündelung erlaubt eine sehr präzise, gerichtete Abstrahlung um die Energie dorthin zu bringen wo sie benötigt wird, also ins Publikum und zwar wirklich auch nur dorthin. Der Vertriebspartner Wolfgang Sauter löste dieses Dilemma durch eine mehr als eindrucksvolle Materialschlacht: Er installierte pro Seite vier Top-Teile nebeneinander, um so eine Abstrahlbreite von 120°Grad zu erreichen. Zusammen mit vier so genannten Kickfillern und insgesamt zwölf Subwoofern, die in drei vertikalen Linien angeordnet und bündig in die Wand eingelassen sind, bringen sie auf diese Weise über 100.000 Watt in den gerade mal zweihundert Quadratmeter großen Raum – eigentlich wäre das genug um auch auch einen Saal mit 10.000 Besuchern zu beschallen. Doch es geht hier nicht um erzielbaren Maximalpegel, sondern um klangliche Qualitäten und den physischen, also körperlich spürbaren Sound, merkt Wolfgang Sauter an.
„Das ist für manche DJs eine echte Erfahrung, wenn sie merken, dass man im Saal alles, wirklich alles hört, was sie machen.“ – Guy Blattmann
Gefragt, wie man grundsätzlich so eine Lautsprecher-Entwicklung angeht, antwortet Reinhard Nell, dass es zunächst einmal eine Idee im Kopf sei, eine Vision die nach und nach immer konkreter wird: „Da liegt man auch mal nachts schon im Bett, setzt sich wieder an den Rechner und startet die Simulation mit neuen Parametern aus einem imaginären Entwurf – denn es dreht sich dabei erstmal alles um Geometrie und Wellenlängen“. Danach würde sich eine lange Phase der Entwicklungsarbeit mit Berechnungen, Computermodellen und Prototypen anschließen: „Das dauert und das ist genau die Arbeit, wo viele andere Hersteller sagen: ‚ach komm, da bauen wir mal wieder einen Doppel-Achtzehner – nehmen ne Kiste, schrauben zwei Treiber rein, machen drei Prototypen und schau mal, wer am besten klingt“. Während des Gesprächs wird schnell klar, dass Reinhard Nell und Steffen Kroschel in einer technisch-physikalischen Welt denken, die für Laien wie eine Geheimwissenschaft wirken muss. Da ist die Rede von numerischen Berechnungen mit finiten Elementen, Phaseplugs um die Flächenexpansion zu optimieren und den Abstrahlwinkel aufzuweiten, sowie „Amplitude Shading“ als eine Technik welche ursprünglich aus der Radartechnik stammt – keine Frage: die beiden leben und lieben das Thema Lautsprecher und Hörner im Besonderen. Hornlautsprecher sind die Königsdisziplin und es ist deren klangliche Überlegenheit und das tiefe notwendige Verständnis, die diese tiefe Faszination auslösen, gibt Nell zu Protokoll.
Clubsound wie im eingemessenen Studio
Das Ergebnis allerdings rechtfertigt hörbar den getriebenen Aufwand, denn die Anlage spielt mit einer Kraft, Neutralität und Ausgewogenheit, dass man an fast keiner Stelle den Eindruck hat, in einem Club zu stehen, sondern sich in einem perfekt eingemessenen Studio wähnt, wo jedes noch so kleine Detail der Produktion voll zur Geltung kommt. Entsprechend hätten sie regelmäßig Produzenten zu Gast, die einfach nur ihre Tracks Referenz hören wollen, sagt Clubbetreiber Guy Blattmann, sichtlich zufrieden. Er ergänzt, dass sich die erbarmungslose Präzision und Genauigkeit der Anlage für manche DJs schon auch als Problem erwiesen hätte. Dann nämlich, wenn sie sich nicht darauf einstellen könnten, so direkt und unmittelbar über ihre Musik mit dem Publikum zu kommunizieren: „Das ist für manche DJs eine echte Erfahrung, wenn sie merken, dass man im Saal alles, wirklich alles hört, was sie machen.“ Im Ergebnis wurde nachträglich noch ein Hallprozessor in das System integriert, um dem Gesamtsound bei Bedarf tatsächlich noch etwas „Verwaschenheit“ mit auf den Weg geben zu können. Die meisten DJs würden am Ende aber dann doch den unbearbeiteten, kompakten Sound der Anlage bevorzugen, ergänzt er. Überhaupt vertritt Blattmann, eigentlich studierter Jurist und heute Geschäftsführer des Elysia, in vielen Punkten eine ziemlich unkonventionelle Haltung, an der sich manch ein Clubbetreiber, der mehr vom Businessplan als von der Liebe zur Musik getrieben wird, durchaus ein Beispiel nehmen darf. Sein Hauptziel sei es, dass möglichst viele DJs die Möglichkeit bekommen, auf der Anlage (oder wie er es liebevoll nennt: „dem Instrument“) zu spielen: „Ich möchte, dass wir vielfältig sind, und das stilistisch breit aufgestellte Booking-Team spiegelt das entsprechend wider.“
Und auch wenn es die finanzielle Situation des Clubs dank potenter Basler Teilhaber zuließe, dem Elysia durch das Buchen von namenhaften Headlinern Geltung zu verschaffen, verfolgt Guy Blattmann eine andere Vision: „Es soll am Ende nicht so sein, dass die Leute unseren Club nur wegen des DJs besuchen, sondern vor allen Dingen wegen des Clubs selber.“ Wie sehr dem Familienvater Blattmann die Gesamtstimmung in seinem Club am Herzen liegt, zeigt sich, als er sagt: „Auch wenn ich mal früh zu Hause bin und dann mit jemandem aus dem Team telefoniere, frage ich nicht: ‚Wie viele Gäste waren da?‘, sondern: ‚Ist der Funke übergesprungen?‘“