Es war einer der Coups des Jahres 2015: Als Dekmantel im Sommer mit „What’s A Girl To Do“ einen Track von Fatima Yamaha wieder auf Vinyl verfügbar machten, wurde vielen erstmals zu Bewusstsein gebracht, was sie 2004 mit der auf D1 erschienenen „A Girl Between Two Worlds EP“ zwischen abklingendem Electroclash und aufkommendem Minimal verpasst hatten: Einen umwerfend verführerischen, aufreizend langsam gehaltenen Track mit spindeldürrem Minimal-Wave-Beat, Moog-Bassline und einem raffiniert gesetzten Scarlett-Johansson-Sample aus „Lost in Translation“, von einem Wiedererkennungswert, der geeignet ist, die meisten aktuellen Produktionen zutiefst zu beschämen – es genügt, diese wie mit dem Lötkolben über die Platinen geschmierte Hookline einmal zu hören, um sie nicht mehr vergessen zu können.
Dieser spektakulären Wiederveröffentlichung jetzt ein Debütalbum folgen zu lassen, ist ein ebenso cleverer Schachzug des niederländischen Producers Bas Bron wie die Wahl seiner Künstlernamen. Neben Fatima Yamaha hat Bron auch als Seymour Bits, Gifted, Bastian und mit seiner HipHop-Crew De Jeugd Van Tegenwoordig unter dem Pseudonym Majoor Vlosshart: De Neger Des Heils veröffentlicht. So könnte man Imaginary Lines als gelungenes Marketingmanöver betrachten, wenn es nicht so wäre, dass der Moment, in dem die letzten Takte des Titelstücks zum Abschluss des Albums erklingen, unweigerlich dazu führte, sofort wieder mit dem grandiosen, viel zu kurzen Intro „Shuppatsu“ einsteigen zu wollen. Die zehn Tracks weisen Bron als einen der wenigen elektronischen Producer aus, die es vermögen, in diesem Feld tatsächlich eine echte eigene Handschrift zu entwickeln. Selbst dass mit „Borderless II“ und „Love Invaders“ die Hits ein wenig geballt am Anfang des Albums platziert sind, trübt das Vergnügen am geschmolzenen Electrofunk von Fatima Yamaha nur unwesentlich. Denn gerade da, wo Bron sich vom Dancefloor aus in Richtung Synthiepop aufmacht, wird der weitreichende Horizont dieses Ausnahmeproducers sichtbar, seine enormen Stärken im Midtempo- und Ambientbereich, etwa in „Only Of The Universe“ oder „Migratory Floor“.
Dass er keine Mühe hat, auch einem Deep-House-Groove ein persönliches Gepräge zu geben, zeigt sich bei „Sazak Bay“. Ein Glücksfall, dass Magnetron Music Imaginary Lines auch auf Vinyl veröffentlichen, wobei angesichts der Dynamik von Brons Sounddesign eine Doppel-LP noch einen Mehrwert bedeutet hätte. Anyways: Ganz groß.
Video: Fatima Yamaha – Imaginary Lines