Was tun gegen die Unschärfen dieser Tage, in denen alte Wahrheiten ihre Geltung verloren haben, Gut und Böse ineinanderfließen, in denen also alles etwas opak geworden ist? Wirklich etwas unternehmen lässt sich nicht, die Welt wird wohl nie wieder übersichtlich sein. Zumindest aber kann man der Konfusion eigene Uneindeutigkeiten entgegensetzen. So wie FKA Twigs. Die lässt schlingernde Beats mitten im Lauf kollabieren, bevor diese sich mit letzter Energie wieder zusammenraufen, lässt Sounds plötzlich verbleichen, ganze Stücke ins Stolpern geraten. Verschliert, verschlurrt und verschleppt alles, was eben noch eindeutige Genres waren wie Synthiepop, Bassmusik oder R&B. Eine mäandernde Musik der Ungewissheiten jedenfalls, den Zeiten sicher angemessener als energisch auftretende Hits.
Vor zwei Jahren tauchte die 1988 geborene Britin Tahliah Barnett wie aus dem Nichts auf, großartiges Styling, eigenwilliger Antritt, mit EPs, auf denen die bröckelnden Überreste von afroamerikanischer Soulmusik der Neunziger nur noch notdürftig zusammengehalten schienen. Schnell wurde Twigs in jene Ecke gestellt, in der Leute wie Jessy Lanza, Sohn oder Inc. gerade den R&B wieder ausgruben und mit Fledermausflügeln in die Zukunft schickten. Sie hat zwar mit Inc. tatsächlich schon zusammengearbeitet, verwahrt sie sich aber gegen solche Referenzen. Ebenso wie gegen jeglichen Dubstep-Bezug – selbst wenn bei ihr häufiger tiefe Bässe durchs Bild kriechen und sie nun auf demselben Label gelandet ist wie SBTRKT, mit dessen entschlackter Hymnen-Interpretation von Bass ihre Musik, Zufall oder nicht, tatsächlich Elemente teilt.
Wäre da nur nicht diese Stimme: Glücksfall und Problemfall zugleich. Zu großen Räumen und Leerstellen, manchmal nur von ein paar Trance-Akkorden und müden Drums aufgezogen, haucht und schluchzt sich FKA Twigs damit genau zwischen Verzweiflung und Unnahbarkeit hindurch. Klar, erinnert das an Kate Bush. Nur hat Frau Bush nie einen Zweifel daran gelassen, dass man ihrer Eigenwilligkeit besser nicht in den Weg treten sollte. FKA Twigs oder andere aktuelle Hauch- und Schluchz-Sternchen aus dem weiten Feld der Hauntology wirken dagegen oft mädchenhaft leidend bis zur Durchsichtigkeit. Sind wir wieder so weit zurückgeschlagen, was starke Frauenrollen betrifft? Immerhin: FKA Twigs rettet ihre elastische und eruptive Musik, indem sie gleich selber ihre Ätherik angreift, sie verbiegt, schichtet, auseinanderpflückt. So bleibt eine Platte, die viele Fragen offen lässt. Was aber definitiv besser ist, als immer gleich alle Antworten parat zu haben.
Video: FKA Twigs – Video Girl