burger
burger
burger

NACHRUF Alexander Shulgin, „Vater von Ecstasy“ (1925-2014)

- Advertisement -
- Advertisement -

Foto: Charlie Llewellin

Am vergangenen Montag ist der Chemiker und Pharmakologe Alexander Shulgin in seinem Haus in der Kleinstadt Lafayette in Kalifornien an den Folgen einer schweren Krebserkrankung gestorben. Shulgin wurde 88 Jahre alt. Er galt als einer der lautstarksten Befürworter des therapeutischen Einsatzes psychedelischer Substanzen und wurde als „Vater von Ecstasy“ bekannt.

Shulgin wurde 1925 in der kalifornischen Universitätsstadt Berkeley geboren und studierte, unterbrochen durch seinen Militärdienst im Zweiten Weltkrieg, in Harvard und in seiner Heimatstadt Biochemie. Nach dem Abschluss seines Studiums im Jahr 1954 arbeitete er für den Chemieriesen Dow Chemical, für den er das Pestizid Zectran entwickelte. Während seiner Zeit bei Dow Chemical machte Shulgin, der sich auch für Psychiatrie, Neurologie und Pharmakologie interessierte, erste Erfahrungen mit psychedelischen Substanzen. 1966 gab er seine Stelle bei dem Chemiekonzern auf, um als selbstständiger Berater und Lehrbeauftragter für verschiedene wissenschaftliche Einrichtungen zu arbeiten und vor allem, um private Forschungen mit synthetischen Halluzinogenen aufzunehmen.

Auf seinem Grundstück in Lafayette richtete Shulgin ein Labor ein, von dem der Spiegel-Autor Alexander Osang 2001 schrieb, es sehe genauso aus, wie sich ein Disney-Zeichner das Reich eines versponnenen Chemikers vorstellen würde: „Verschlungene Glasröhren, Kolben und kipplige Regale, gefüllt mit braunen und grünen Flaschen. Alles ist mit Staub und Spinnweben bedeckt, […] an der Wand hängt eine Voodoopuppe […].“ Auf seiner „Farm“ synthetisierte Shulgin im Laufe der Jahre nach eigenen Angaben mehr als 200 psychedelische Substanzen, von denen er die meisten im Selbstversuch oder zusammen mit seiner Frau Ann und einem kleinen Kreis von Freunden ausprobierte. In den neunziger Jahren veröffentlichte er die Ergebnisse seiner Forschungen in den Büchern PIHKAL: A Chemical Love Story und IHKAL: The Continuation.

Am bekanntesten wurde jedoch eine Substanz, die Shulgin nicht selbst entwickelte, aber wiederentdeckte. 1976 wurde der Chemiker von Studenten auf die Verbindung MDMA aufmerksam gemacht, die 1912 von der deutschen Firma Merck als Zwischenprodukt bei der Entwicklung eines Medikaments synthetisiert und patentiert wurde. Shulgin entwickelte eine neue Methode zur MDMA-Herstellung und gab den Stoff an einen befreundeten Psychotherapeuten weiter. Bis zu ihrem Verbot in den USA im Jahr 1988 wurde die Substanz, die später den Spitznamen Ecstasy erhalten sollte, von hunderten Psychologen bei der Gesprächstherapie eingesetzt.

Shulgin war ein überzeugter Vertreter des liberalen Umgangs mit psychedelischen Substanzen. Als ihn ein Reporter der New York Times damit konfrontierte, dass ein Mann nach dem Konsum einer der in seinen Büchern beschriebenen Verbindungen gestorben war, bekundete er sein Beileid. „Und dennoch“, sagte Shulgin dem Reporter, „wie viele Menschen sterben durch Aspirin? Es ist ein kleiner, aber existierender Prozentsatz.“ Jahrelang war Shulgin dennoch als Berater für die amerikanische Drogenbehörde DEA aktiv und erhielt von dieser zeitweise auch eine Ausnahmegenehmigung zur Forschung mit illegalen Substanzen. Die Beziehung zur Behörde zerbrach, als das DEA Mitte der Neunziger mehrfach sein Labor durchsuchte. Als Begründung für die Razzien nannte die Behörde Shulgins Bücher. „Unserer Meinung nach entsprechen sie Rezeptsammlungen zur Herstellung illegaler Drogen. Unsere Agenten erzählen, dass sie bei der Durchsuchung von Untergrund-Laboren Kopien dieser Bücher fanden“, sagte ein DEA-Sprecher der New York Times.

Shulgin, der längst zu einer Kultfigur der psychedelischen Gemeinde geworden war, setzte seine Versuche bis ins hohe Alter fort. Zu seinem Verhältnis gegenüber Ecstasy zitiert ihn Alexander Osang mit folgenden Worten: „In der Musik von Ecstasy bin ich höchstens der Notenschreiber, aber nicht der Komponist.“

In diesem Text

Weiterlesen

Features

[REWIND2024]: Ist das Ritual der Clubnacht noch zeitgemäß?

Hohe Preise, leere Taschen, mediokre Musik, politische Zerwürfnisse – wo steht die Clubkultur am Ende eines ernüchternden Jahres? Die GROOVE-Redaktion lässt das Jahr 2024 Revue passieren.

[REWIND 2024]: Gibt es keine Solidarität in der Clubkultur?

Aslice ist tot. Clubs sperren zu. Und die Techno-Szene postet Herz-Emojis. Dabei bräuchte Clubkultur mehr als solidarische Selbstdarstellung.

Cardopusher: „Humor steckt in allem, was ich tue”

Luis Garbàn fusioniert lateinamerikanische Rhythmen mit futuristischen Klängen. Wie er dazu kam, erfahrt ihr in unserem Porträt.