Dem Begriff Fleißarbeiter wohnt ja oft die Konnotation inne, dass hier mangelndem Talent mit erhöhtem Arbeitseifer entgegengetreten wird. Im Fall des Berliner Techno-Duos Pan-Pot darf man ihn dagegen ohne negativen Beigeschmack verwenden. Denn im Lauf der vergangenen zehn Jahre haben sich Tassilo Ippenberger und Thomas Benedix durch unzählige Auftritte auf Festivals und in Clubs – immer mit ihren ebenso deepen wie tanzbaren und oft die Genregrenzen von Minimal-Techno hinterfragenden Produktionen im Laptop – einen tadellosen Ruf als Premium-Headliner erspielt. Höchste Zeit also für uns, den beiden DJs und Produzenten in Ihrem neuen Studiokomplex einen Besuch abzustatten.
Das Thema Fleiß umfasst dabei nicht nur den musikalischen Output und die Intensität Ihrer Live-Performances, sondern auch ihre Schaffensräume, denn erst vor kurzem ist Tassilo Ippenberger in sein neues Studio gezogen, das Teil eines derzeit bereits zehn Studios umfassenden Komplexes ist, der auf den naheliegenden Namen Riverside Studios getauft wurde. Hier, in einem Souterrain, dessen Gesamtgröße sich auf achthundert Quadratmeter beläuft, hat sich Tassilo Ippenberger – zwar unterstützt von einem erfahrenen Trockenbauer, ansonsten aber in Eigenleistung – einen überaus charmanten, ja geradezu wohnlichen Arbeitsraum geschaffen. Beinahe luxuriös erscheint dabei die Fensterfront im hinteren Teil des Arbeitsraums, denn sie sorgt nicht nur für Tageslicht, sondern ermöglicht von der bequemen Sitz- und Hörecke im hinteren Teil aus den kontemplativen Blick auf die Spree, die direkt auf Höhe des Fensterbretts ruhig vorbeiplätschert. „Damit keine Bugwellen über die Fenster schwappen, gibt es in diesem Bereich des Flusses tatsächlich eine Geschwindigkeitsbegrenzung für die Schiffe“, berichtet Ippenberger schmunzelnd.
Netzwerke und Freundschaften
Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Knappheit an musiktauglichen Räumen in Berlin beschlossen die beiden Produzenten schnell, das Areal auch für weitere Studios zu erschließen, um so einen Pool aus Klassik-, Werbe-, Game- und Techno/House-Produzenten an einem Ort zu versammeln, um sich bei ihren Projekten auch gegenseitig unterstützen können. Gerade der Gedanke des Netzwerks ist für die beiden Musiker extrem wichtig und Thomas Benedix resümiert über die Zeit, die beide an der SAE verbracht haben, dass der größte Vorteil am Ende war, dass sie sich beide kennengelernt haben. Er ergänzt, dass das Netzwerken ein Faktor ist, der von vielen Musikern oft unterschätzt wird: „Es geht da gar nicht mal so sehr um Geschäftsbeziehungen im engeren Sinne oder das da immer sofort irgendein Auftrag rumkommt, sondern darum, dass du dir äußere Faktoren schaffst, die dich pushen. Es ist wirklich Fifty-Fifty, was für den Erfolg entscheidend ist: Zum einen natürlich Talent und Knowledge, auf der anderen Seite aber auch ein produktives Umfeld.“
Im Fall der beiden Musiker funktioniert die Kooperation schon seit zehn Jahren blendend – trotz, oder vielleicht gerade, weil die beiden in ihrem Wesen, aber auch in ihrer Herangehensweise sehr unterschiedlich sind: Der 32-jährige Thomas Benedix übernimmt dabei den quirligeren, spontanen Part, während sein Gegenpol, der ein Jahr jüngere Tassilo Ippenberger, mehr zu einem ruhigen, detailverliebten Arbeitsstil tendiert. Entsprechend ist es oft Benedix, der in seinem Studio grobpinselig Ideen skizziert, die er dann zur weiteren Ausarbeitung in das Studio seines Kollegen bringt.
Das zeigt sich bereits in der Ausstattung mit Plugins, die auf den Rechnern der beiden Mac-User zu finden ist. Benedix kommt hier mit den Bordmitteln von Ableton Live bereits bestens klar: „Die Werks-Plugins von Ableton sind doch megadick, mit Universal Audio kann ich mich im Vergleich dazu gar nicht anfreunden. Die Sache ist doch, dass oft die Möglichkeit, schnell mit einem Plugin zu arbeiten, viel entscheidender ist, als der Klang, und da muss ich bei UAD ja ewig suchen.“ Counterpart Ippenberger dagegen hat nicht nur die komplette UAD-Serie im Einsatz, sondern greift immer auch auf seinen externen Summierer – dem 2-Bus von Dangerous Music – zurück, von dem er aus Überzeugung sagt, dass es einen Unterschied, wie Tag und Nacht macht, ihn im Einsatz zu haben: „Das fällt mir dann immer auf, wenn ich die ganze Mischung die ganze Zeit nur über den Stereo-Out abgehört habe und dann die Sache auf die Einzelausgänge verteile: Plötzlich hast du da Bass, Stereopanorama und Dynamik, die vorher einfach nicht da waren.“
Einigkeit herrscht dagegen in Bezug auf die Abhörsituation, denn beide Produzenten haben sich als Abhörmonitore für Adam S3X-H entschieden. Uneingeschränkt ist die Begeisterung für die Lautsprecher, die wie alle Studiomonitore von Adam mit Bändchenhochtönern ausgestattet sind, allerdings nicht. Und Ippenberger resümiert, dass sie auf der einen Seite die extrem präzise und ehrliche Höhenabbildung (ein bekannter Vorteil von Bändchen) sehr schätzen würden. Andererseits können sie den oft genannten Nachteil, dass die brillante Höhendurchzeichnung auf Dauer auch ermüdet, bestätigen und würden deshalb zwischendurch auch immer wieder auf die zweite Abhöre von Dynaudio (BM6A mit Sub) zurückgreifen.
Die Kickdrum ist das Fundament
So unterschiedlich die Herangehensweisen der beiden Musiker auch sein mögen – am Anfang eines jeden Stücks steht immer die Bassdrum. Sie sei das Fundament auf dem das gesamte Track-Haus aufbaut, sagt Thomas Bendix und ergänzt, dass sie dabei oftmals bis zu vier Bassdrum-Samples übereinander schichten. „Oft nutzen wir dann schon nach einem Takt die Konsolidierungs-Funktion von Live und verwenden eine Kopie der Spur als Trigger für die Sidechain-Kompression“, erläutert Ippenberger. Gerade diesem Effekt, bei dem man ein Triggersignal als Quelle für den Kompressor definiert, kommt in den Stücken von Pan-Pot eine große Bedeutung zu, denn er ist unmittelbar entscheidend, für jenen „pumpenden“ und „drückenden“ Sound der aktuell in vielen zeitgemäß klingenden Produktionen zu hören ist (siehe Studiotipp).
Auch dem Thema Automation widmen Ippenberger und Bendix viel Zeit und Detailarbeit, denn insbesondere jene kleinen, verfrickelten Delay-Variationen bei denen ein Thema rhythmisch immer wieder permutiert, in sich zusammenfällt, nur um dann „auf die Eins“ wieder ins Metrum zu rutschen, sind ein genretypisches Stilelement. „Wir haben das zwischendrin tatsächlich auch einige Male mit Controller-Zuweisungen ausprobiert, aber am Ende festgestellt, dass wir die Breaks und Effekte im Grunde schon im Kopf haben und schneller sind, wenn wir sie mit der Maus einzeichnen“, sagt Ippenberger, und Bendix ergänzt, dass es sein größter Wunsch sei, dass die Musikgeräteindustrie endlich mal ein vernünftiges Touchscreen-Konzept auf den Markt bringen würde, bei dem man solche Breaks einfach mit dem Finger einzeichnen kann.
Studiotipp: Sidechain-Kompression
Pan-Pot arbeiten sehr gerne mit dem Effekt der Sidechain-Kompression. Dabei regelt ein Kompressor in einer Spur X (oft Flächen- oder Bass-Sounds) die Lautstärke in Abhängigkeit von Spur Y (meistens die Kickdrum) herunter. Es entsteht das typische „Pumpen“, bei dem man den akustischen Eindruck bekommt, dass die Musik zwischen den Bassdrum-Schlägen „aufatmet“. Der Effekt ist mit den Bordmitteln von Ableton Live sehr schnell hinzubekommen: