Eine Verklärung der wilden, ursprünglichen Natur als vermeintliche Uridylle sieht der Berliner Post-Punk-Aktivistin Gudrun Gut eigentlich gar nicht ähnlich. Doch auf den ersten Blick scheint sie mit ihrem aktuellem Album Wildlife genau das machen zu wollen. Will sie dem post-industriellen Album Baustelle der Greie-Gut-Fraktion von 2009, in der noch das Fällen von Bäumen und der Neubau einer Stadt vertont wurden, nun ein „Zurück zur Natur“ entgegensetzen? Was für ein Missverständnis das doch wäre! Auf Wildlife ist Natur zwar ein großes Thema – mit Landlust-Romantik hat das aber nichts zu tun. Gudrun Gut ist vielmehr an Lücken, Freiräumen und gefährlichen Orten interessiert. Die Stücke sind in ihrem Haus in der Uckermark entstanden, wo während der Produktionsphase im Herbst und Winter gespenstische Ruhe herrschte. Die Stille hat sie offenbar nicht nervös gemacht – in den elf Stücken nimmt sie sich Zeit für die kleinen Sachen und Nebensächlichkeiten. Treiben lassen, in den Himmel schauen. Bewegen sich die ersten Tracks noch zwischen Techno-Minimalismus und shuffelnder Electronica, werden mit ihrer Interpretation von Tina Turners „Simply The Best“ die bekannten Pfade verlassen. Stark schlingernd wird der Megahit zur liebes-taumeligen Ballade. Eigenartig großartig. Nicht nur in ihrer Version des Kinderliedes „Frei sein“ kommt schließlich zur Geltung, was Gut in ihrer Musik immer wieder einfordert: Eine Freiheit, die über die künstlerische hinausreicht.
Video: Gudrun Gut – Garten