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TIM SWEENEY Herr der Wellen

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Text: Felix Denk, Fotos: Anna Rose
Erstmals erschienen in Groove 137 (Juli/August 2012)

„This is Beats In Space – Here is your host Tim SweeneyWNYU 89,1 FM New York.“ Über 600 Mal hat Tim Sweeney seine Hörer bereits mit diesem Satz begrüßt. Erst nur die New Yorker, dann bald über seinen viel gehörten Podcast die ganze Welt. Jeden Dienstag vom 22.30 bis 1 Uhr sendet er seine Liveshow aus einem kleinen Kellerstudio unterhalb der New York University in der Nähe des Washington Square. Seine Gäste reichen von Nicolas Jaar bis DJ Harvey. Trotzdem ist er vor allem Botschafter des neuen New York Sounds.

Du hast im Herbst 1999 mit deiner Radiosendung Beats In Space angefangen, die im College-Radio der NYU ausgestrahlt wird. Wie kam es dazu?

Damals ging das Semester los. Ich war gerade nach New York gezogen und habe an der NYU angefangen zu studieren. Kontakt zu WNYU hatte ich schon, da ich zu Highschool-Zeiten mal da spielen konnte. Ich war schon vorher als DJ unterwegs. In Baltimore, wo ich zur Schule ging, hatte ich ein paar Club-Gigs. Das war immer schwierig, weil ich unter 21 war.

Wie hast du die House-Szene wahrgenommen, als du nach New York gekommen bist?

Das war die Ära von Twilo und den großen Clubs wie dem Roxy oder dem Limelight. Für mich war das nicht so das ganz große Erlebnis. Ich war gerade 18, kannte noch keine Leute und war da ganz allein. Und die Musik war auch nicht so meins. Das war alles ziemlich aufgeblasen. Ich bin nicht viel in die Megaclubs gegangen. Ich war eher im East Village in Bars und schaute, dass ich da DJ-Gigs bekomme.

Und Läden wie das Body & Soul oder das Shelter?

Ich bin da schon mal hingegangen, aber es war keine Referenz. Body & Soul kam mir cheesy vor. Die Typen haben es nicht gepeilt. Wenn Joe Claussell ewig am EQ rumschraubt, hat mich das nicht bewegt. Viel wichtiger war für mich, als ich das erste Mal im Loft war und David Mancuso gehört habe.

Mancuso spielt sehr eklektisch. Hat dir das gefallen?

Ja, und er spielt die ganze Platte und schraubt da nicht groß rum. Ein gutes Soundsystem, tolle Musik, kein Schnickschnack.

Was hast du denn damals gespielt?

Damals drehte sich die Show noch viel mehr um Hip-Hop und Funk. Wer mich damals sehr geprägt hat, war Steinski. Bei ihm ging es mehr um Funk, Soul und Rock, den man für Hip-Hop samplen konnte. Ich habe in meinen Sets viele Original-Stücke gespielt, von denen die Samples stammen. Eine Weile habe ich sogar für Steinski gearbeitet.

Was hast du für ihn gemacht?

Ich sollte mich für ihn durch seine riesengroße Plattensammlung arbeiten und die BPMs messen. Ich hab die Platte gehört, die BPM mit einem Taktzähler gemessen und dann auf einen kleinen Aufkleber geschrieben. Ein Traumjob: Er war ein fanatischer Plattensammler und war immer auf der Suche nach obskuren Samples. Da hab ich wahnsinnig viel gelernt. Er hatte auch eine Radiosendung, die ich immer gehört habe.

Hattest du auch damals schon Gäste in deiner Sendung?

Eigentlich schon. Das war nicht ganz einfach, weil der Sender so klein ist. Über FM sind wir nur von Montag bis Freitag von 16 bis 1 Uhr hörbar, dann bekommt ein anderes College die Frequenz. Dann stellen wir auf AM um. Das können nur noch die Studentenwohnheime empfangen. Deshalb hatte ich die Sendung von Anfang an aufgenommen und als Real-Audio-Files hochgeladen. Ich habe schnell alle möglichen Leute gefragt, ob sie nicht in meiner Radiosendung auflegen wollten. Die wussten nicht, dass das keiner hören kann. Die dachten wahrscheinlich, eine Sendung aus New York, kann sein, dass da viele zuhören.

Kannst du dich an deinen ersten Gast erinnern?

Ich glaube, das war DJ Food.

Gleich jemand internationales?

Die konnte man leichter an der Nase rumführen. Die wussten nicht, wie klein die Sendung ist. Kaum dass ich ein paar Gäste hatte, ging das immer leichter.

Du warst auch eine Weile bei DFA. Hat das deine Sendung verändert?

Natürlich! Wie Steinski waren Tim Goldsworthy und James Murphy wie Mentoren für mich. Ich war da vielleicht 20 und habe sie sehr bewundert. Ich war Fan von Mo’ Wax (Anm. d. A.: dem Label, für das Tim Goldsworthy gearbeitet hat, bevor er DFA gründete).

Was genau hast du bei DFA gemacht?

Ich war Produktionsassistent und saß mit Tim und James im Studio. Wenn die Drum-Samples hatten, die gecuttet werden sollten, habe ich das gemacht. Einfache Sachen, die aber zeitintensiv sind. Da habe ich natürlich total viel mitbekommen. Als sie die Echoes von The Rapture produziert haben, hörten sie die ganze Zeit Gang of Four und haben sich gefragt, wie man diesen Sound hinbekommen könnte. Ich hab das alles aufgesogen. Tim verriet mir alle seine Sample-Quellen für U.N.K.L.E. Das waren viele Can-Platten zum Beispiel. Solche Sachen hab ich dann auch im Radio gespielt. Auch Postpunk, Disco-Sachen und klassische House-Platten.

Hat DFA denn eigentlich Kontakt zu der alten New Yorker House-Szene?

Nein, das waren getrennte Welten, auch wenn der Sound ein Einfluss war. DFA hatte nie etwas mit Masters At Work zu tun oder mit Kerri Chandler. Die kamen nie im Studio vorbei. Die Szenen haben sich nicht überschnitten.

Hast du die mal in deine Show eingeladen?

Kerri Chandler hätte ich total gerne in der Show. Wir waren auch schon in E-Mail-Kontakt, aber daraus wurde nichts. Er wohnt in New Jersey, das ist ein Stück weg. Kenny Dope wäre auch toll oder François K. Aber vielen von den Älteren ist Radio egal. Ich hatte kein Glück mit denen. Mit den Detroitern auch nicht. Kenny Dixon Jr. oder Derrick May, Jeff Mills oder Theo Parrish. Immer schwierig.

Wie steht es mit neueren House-Größen wie Jus-Ed oder Levon Vincent?

Jus-Ed war mal da, das war eine tolle Show. Toller Typ. Mit Levon Vincent war ich im E-Mail-Kontakt, das war nett, aber es kam nie zustande, dass er zu mir kam. Mit denen kann ich auch viel mehr anfangen als mit den House-Ikonen der frühen neunziger Jahre. Da gibt es nicht diesen Graben.

Kann es sein, dass du mit deiner Show eine viel größere Reputation in Europa hast?

Ja, das geht aber vielen so. Für die Leute von L.I.E.S. oder Throne Of Blood, die für mich den Kern dieser neuen New York-Szene ausmachen, trifft das genau so zu. Die spielen hauptsächlich in Europa. Wir haben unsere Szenen, die sind aber klein. Anders ist das nur bei Typen wie Skrillex.

Nach zwölf Jahren Radiosendung hast du jetzt dein eigenes Label gestartet, Beats In Space Records. Warum so spät?

Weil ich so lange bei DFA war, hatte ich nicht das Gefühl, da was tun zu müssen. Als ich mich da gelöst habe, dachte ich, es wäre Zeit dafür. Im Augenblick fühlt es sich an wie damals, als ich die Radiosendung gestartet habe. So, als würde ich nur auf AM senden. Ich fühle mich noch ziemlich neu auf dem Gebiet. Bei DFA hatte ich ja mehr mit den Produktionen zu tun. Die Labelarbeit hat Jonathan Galkin gemacht. Da habe ich wenig mitbekommen.

Bestimmt ist das gar nicht so einfach – von einem so erfolgreichen Label wie DFA zu kommen und etwas Eigenes zu starten?

Man macht ja alles immer als Einfluss oder als Abgrenzung. Für mich war DFA schon prägend. Auch weil die nach zwei Veröffentlichungen zwei Hits hatten, die die Musikwelt verändert hatten. Da ist es natürlich schwer mitzuhalten. Das musste ich erst mal aus meinem Kopf verbannen. Bei DFA war der Fokus auf dem Image, die hatten ein Logo, aber kein Artwork. Ich hatte den Eindruck, dass das ein Kontrast zu Mo’ Wax sein sollte. Für mein Label wollte ich ein richtiges Artwork. Ich wollte, dass die Leute die Platte schon wegen des Artworks kaufen würden. Mit der ganzen Show möchte ich taktile Sachen haben: Ich mache von allen Gästen Polaroids, die sie dann unterschreiben. Ich möchte, dass die Leute in der Sendung anrufen, Nachrichten hinterlassen, dass ich die Hörer kennenlerne. Die Nummer ist auch auf den Platten – nicht, dass da jemals jemand angerufen hätte, aber ich mag diesen Old-School-Style. Ich möchte, dass da eine Community entsteht.

 


 

„Brooklyn House“ Special:

01. Einleitung
02. Tim Sweeney: Herr der Wellen
03. Jacques Renault: Hansdampf in allen Gassen
04. RVNG Intl.: Wie ein musikalischer Langstreckenlauf
05. Mister Saturday Night
06. Wurst Music Co.
07. L.I.E.S.: Mit ganz viel Attitüde

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