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Tromatic Reflexxions

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Ich staunte nicht schlecht, als ich auf einem Mouse On Mars-Konzert die „Wipe That Sound“-12“ feat. Mark E. Smith in die Finger kriegte. Meine Lieblings-Leftfield-Elektroniker zusammen mit dem grantelköpfigen Helden meiner Jugend. Umso größer die Freude über die Nachricht eines gemeinsamen Albums dieser auf den ersten Blick unvereinbaren Exzentriker. Der The Fall-Kopf ist ja dafür bekannt, seine gesamte Band zu feuern, wenn sie ihm zu virtuos wird. Seine kaum verständlichen Wortschwälle kommen halt am besten zu einem stoisch eiernden Backbeat, der klingt, als würde eine Horde halbbegabter Punks die maschinengleichen Präzisionsrhythmen von Can oder Neu spielen. Die Versuche in Elektronik, die gelegentlich ab Anfang der 90er auf Fall-Platten auftauchten, klangen dann entsprechend baufällig.
Mouse On Mars auf der anderen Seite stehen ja gerade dafür, kein Element ihrer Tracks durchlaufen zu lassen. Alles wird ständigen Permutationen unterzogen, der Rhythmus steht nie still. Die Hyperaktivität von „Wipe That Sound“ hatten sie im Remix bereits gedrosselt, um Mark E. Smith Raum für seine seltsamen Auslassungen zu geben. Würden sie für die gemeinsame LP zur elektronischen Version von The Fall werden?
Nun, die Tracks, die Jan Werner und Andi Thoma für „Tromatic Reflexxions“ zusammengeschraubt haben, sind sicher straighter als das meiste in ihrem bisherigen Oeuvre. Eine gewisse anarchische Brutalität bestimmt Stücke wie „Serious Brainskin“ und „Speech Contamination/German Fear Of Österreich“, die gleichermaßen von Grime wie von Drill’n’Bass inspiriert ist. Und trotz der ungezügelt umherschwirrenden Sounds sorgt der leicht hüftsteife, brutal zuschlagende Beat dafür, dass Smiths schnarrende Satzfragmente nicht zu inkohärentem Gebrabbel verkommen. Sich beim Dreck und der Matschigkeit von Grime zu bedienen, ist natürlich eine so naheliegende wie geniale Wahl für den Mancunian Rapper. Aber Mouse On Mars wären nicht sie selbst, würden sie sich nicht auch diese Inspiritationsquelle ganz zu eigen machen. Ihre Einverleibung von Grime ist präzise und pointiert. Dies ist kein Kanonenfutter für einen hyperaktiven Rapper, es ist eine detaillierte content:encodedur, an der das verrückte Genie Smith sich abarbeiten könnte. Und so inspiriert und variationsreich in der Modulation wie hier war er schon lange nicht mehr. Seine Äußerungen klingen wie spontan improvisierte Poesie, deren Sound definitiv wichtiger ist als die Bedeutung.
Aber es ist nicht alles Druck und Krach auf „Tromatic Reflexxions“. „The Rhinohead“ ist eines dieser seltenen Exemplare von einem Northern Soul-Tribute im Smith’schen Werk. Aufgrund seiner Rarität strahlt es umso schöner. „Chicken Yiamas“ ist ein mutierter Backporch-Blues. Und auf dem letzten Stück „Dearest Friends“ croont Mark E. Smith zu fröhlich singenden JuJu-Gitarren. Ein erstaunlich versöhnlicher Ausklang für ein so turbulentes wie brillantes Album.

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