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Supershelter

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Aus dem Nichts kommt in dieser Welt niemand und nichts. Doch dieses außergewöhnliche und verblüffend gute Album ist gewissermaßen vom Himmel gefallen – ohne jede Vorwarnung. Bislang dürfte der Name Glitterbug nur den allerwenigsten bekannt gewesen sein. Hinter diesem Pseudonym verbirgt sich der in Köln lebende Tonkünstler und Produzent Till Rohmann. Der folgte vor einigen Jahren einer Einladung nach Jerusalem. Mit dem Besuch wurde Israel zu seiner zweiten Heimat, in dortigen Clubs wie der Pacothek legt er heute regelmäßig auf. Im Jahr 2005 hob Rohmann gemeinsam mit Ronni Shendar, einer Fotografin, Vpopeokünstlerin und Aktivistin der israelischen Linken, das Jerusalemer Medienkunst- und Electronica-Festival C.Spopes aus der Taufe. In der Zwischenzeit ist C.Spopes auch in Berlin zu Gast gewesen sowie zur Plattenfirma geworden.
Nachdem 2006 bereits eine Vierfach-CD-Compilation zum Festival auf dem deutsch-israelischen Label erschienen ist, taucht dort nun aus scheinbar heiterem Himmel das Debüt-Album von Glitterbug auf. Supershelter verwendet das Vokabular von anderthalb Jahrzehnten Techno. Es beginnt psychedelisch entrückt und endet im Flackern des Stroboskops von „We Will All Go“. Die Trancestrings erinnern hier und da an Harthouse-Produktionen, die Arpeggioakkorde an die frühe Phase von Pete Namlooks Label Fax. „Presence“ wiederum lässt an die beste Zeit von Plus 8 denken. Andere Tracks reisen durch Landschaften, die sich aus abstrakten Ambientcontent:encodeduren zusammenfügen. An Vielfältigkeit ist das Album kaum zu überbieten, und dennoch ist es in einer Art und Weise stringent, die man nur sehr selten zu hören bekommt. Supershelter ist ein Füllhorn an Melodien und Klängen. Harfen, Akkordeons und Flügelhorne, ein ganzes Orchester von analogen und digitalen Synthesizern, forsche 909-Beats, die an klassischer House-Musik geschult sind – die Liste ließe sich lange fortsetzen.
All die Referenzen sind in Till Rohmanns Galaxie kein Selbstzweck wie beispielsweise das Sammeln von Panini-Bildchen. Sie fügen sich auf wundersame Weise ein in dieses so schöne wie intensive Album, das auch nach häufigem Hören trotz seiner epischen Länge von 77 Minuten nichts von seiner Magie einbüßt und die Spannung in beeindruckender Manier auf hohem Niveau hält. Von der Kopf- und Theorielastigkeit so einiger Electronica-Protagonisten ist Till Rohmann indes weit entfernt. Supershelter ist voll von herzerweichenden Momenten – und feiert im nächsten Augenblick hart am Abgrund. Nachdem man Glitterbug 77 Minuten lang begleitet hat, will man es erst recht nicht glauben: Dieses Album ist nach einem Compilation-Beitrag die allererste umfassende Veröffentlichung von Till Rohmann. Hut ab vor dieser großartigen, sich allen derzeit gängigen Stereotypen entziehenden Musik.

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