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Saint Dymphna

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Karneval der Kulturen: Innerhalb einer frei mäandernden New Yorker Szene, in der mit Acts wie dem allgegenwärtigen Animal Collective, Telepathe oder, neuerdings, High Places problemlos Kunst und Pop, flirrende Elektronik, Folk und Psychedelik, Primitivismus und Technik zusammen kommen, dürfen Gang Gang Dance seit jeher als die Hobbyethnologen gelten. Auch zu Zeiten, in denen so genannte Weltmusik – heutzutage nur mehr schwer nachvollziehbar – bei weißen, tendenziell vom Rock kommenden Gruppen noch nicht sonderlich hoch im Kurs stand, fanden schon bunt aus den unterschiedlichsten Landstrichen zusammen gewürfelte Stilistiken Einzug in das Vokabular des Quartetts aus Brooklyn: Dub, Ferner Osten, Freejazz oder afrikanische Polyrhythmik.
So ist nun auch das vierte, tatsächlich großartige Album von Gang Gang Dance wieder von allerlei Schamanengesängen, tribalistischem Geklöppel, Geklapper und tanzenden Derwischen durchsetzt. Allerdings wirkt das aus allen Himmelsrichtungen angewehte Material nun wesentlich straffer als bisher – mitunter gar poppig – organisiert, dabei aber nie glatt gebügelt: Alles greift ineinander, gleitet, bleibt im Fluss. Da driftet schwermütig zwitschernde Electronica, die auch den Selected Ambient Works des frühen Aphex Twin zur Ehre gereichen würde, in nur wenigen Augenblicken hinüber zu Krachkaskaden und Bubblegum-Noise, gerade so, wie man es etwa von den ewigen japanischen Helden Boredoms oder von Deerhoof aus San Francisco erwarten würde.
Auf Saint Dymphna herrscht damit eine rauschwirksame Balance zwischen gewohnt offenem Experiment, Momenten von Songstrukturen und Melodie sowie eine für Gang Gang Dance untypische Dancefloor-Affinität. Und das ist dann nicht bloß für besonders begabte Barfuß-Ausdruckstänzer nachvollziehbar. Während Sängerin Liz Bougatsos also wieder so schön esoterisch leiert, es im Hintergrund brutzelt und brummt und Ambientschwaden durch das paganistische Erntedank-Fest wehen, gilt es hier auch dick ausproduzierte Beats zu erleben. Freilich bleibt der Großteil des Albums immer noch wild geschichtete Klangcollage, spätestens jedoch eine gerade Bassdrum im dritten Stück sorgt für einiges an Überraschung. Daneben wäre da beispielsweise noch das Stück „House Jam“, das nicht nur in der Remixversion von Spankrock-Buddy XXXChange, die seit geraumer Zeit durch die Blogs geistert, sondern auch im hier vertretenen Original zu mehr als bloßem Kopfnicken einlädt. Oder der Höhepunkt des Albums: „Princes“, ein astreiner Grimetrack mit dem englischen MC Tinchy Stryder, der bei allem scheinbaren Novelty-Charakter am besten demonstriert, wie unangestrengt es Gang Gang Dance gelingt, die unterschiedlichsten Quellen, Einflüsse und Stimmungen zu einem herausragenden Ganzen zu formen. Man wird noch von dieser Platte hören.

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