Stell dir vor es ist spätnachts und von Schlaflosigkeit geplagt drehen deine Finger am Radioknopf, du gleitest mit den Ohren durchs verzerrte Frequenzgezirpe – und plötzlich schält sich aus all der Kakophonie eine dunkle Musik heraus, das elektronische Gezwitscher formt eine Art Melodie, das tiefe Geplucker wandelt sich zu einem Rhythmus, die Schwingungen fließen in eine schwere Funkiness, und über all das legt sich eine düstere Stimme, die dir ins Ohr flüstert. Dann hörst du vermutlich gerade das Stück „Tune In, Turn On, Drown Out“ von diesem, Cristian Vogels neuem Album, das programmatisch für die gesamte Platte steht.
Es ist, als hätte man eine mysteriöse, geheime Radiostation entdeckt, die irgendwo zwischen den Frequenzen liegt, in jedem Fall nicht wirklich auf der Wellenlänge dieser Welt. Fremdartig und dennoch irgendwie vertraut klingt die Musik dieses Albums, auf dem Vogel sämtliche Aspekte seiner bisherigen musikalischen Arbeiten bündelt, sei es harter, trockener Techno, der kaputte Trashbin-Funk von Super Collpoper, Electrofunk oder Technorock, und diese zu einem homogenen Ganzen, etwas Neuen verbindet. Das klingt, etwa auf der sich windenden, mäandernden, neunminütigen Techno-Symphonie „On The Line“, wie Musik von Außerirdischen komponiert – Strukturen bilden sich, lösen sich auf und formen sich wieder neu – und hat dennoch etwas Erdverbundenes, eine Bodenhaftigkeit, die den entrückten Raver wieder zurück auf den Dancefloor holt. Auch Humor kommt nicht zu kurz. „Neon Underground“ etwa beginnt mit an Kraftwerk erinnernden Akkorden, unter die Vogel dann aber, ganz tongue in cheek, ein akustisch anmutendes Rock-Schlagzeug legt, bevor der Track sich zur Mitte hin um sich selbst windet und in einen hüpfenden Funk-Rhythmus fließt, gekrönt von einem ebenso funkifizierten, dunkel-grummelnden Basslauf. „Lovelights“ mit seinen schmelzenden Akustikgitarren klingt wie indietronics from outer space. Oder „Monkey Inc.“, das unter allerlei elektronischem Gefiepe und Geblubber einen Basslauf durchscheinen lässt, der wohl nicht von ungefähr an New Orders Peter Hook erinnert. Darüber rappt dann Max Turner von den Meteorites.
Überhaupt Stimmen: auch davon gibt es reichlich. Dem bereits erwähnten „Tune In, Turn On, Drown Out“ leiht Franz Treichler von den legendären Schweizer Young Gods sein Organ, auf „1968, Holes“, das irgendwo zwischen Super-Collpoper-Funk und Acpoppunk angelegt ist, schreit Kevin Blechdom. Und „Somewhere In The Waves, We Will Find You“ mit seinem geheimnisvoll subtil anrollenden Spacefunk featuret Vocals der spanischen Band Virüs. Das gesamte Album in einem Wort zu summieren, gelingt denn auch nur mit diesem: meisterhaft.
Station 55
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