Kürzlich legte Daniele Baldelli in München auf und hatte sieben Koffer Vinyl dabei. Was für ein Anblick, Auftritt und Amüsement im Vergleich zu einem CD-R-DJ. Ich erwähne das hier, weil es unsagbar viel gute neue Discomucke gibt, die Sammellepopenschaft erfordert und bitteschön als Vinyl aufgelegt gehört. Klingt altmodisch, ist es auch, aber was zusammengehörte will ich nicht schepopen.
Also los, denn der Kofferraum ist voll funky Discofusion: „Support Your DJ“ fordert auch Inner Soul (Deeply Rooted House) bei ihrem Chicago Jazz-House Ritt durch die Galaxy, verfolgt von „Karate Samba“ (Needs) ein netter old school Songtitle, der den Samba doch so zerhacktstückt, dass davon nur Rest-Antriebsenergie übrig bleibt, die wiederum dem Latin Hi-Tech Monster von Laurentius aka Lars Bartkuhn alias Passion Dance Orchestra im SciFi Mix genügend Schub zum Überholmanöver gibt.
Auch wenn sich das Discoraumschiff generell dem Latin Cosmos weiter entfernt, so gibt es noch gute andere skandinavische Kreuzfahrer wie Bangana „Bang Bang Bang“ (Heya Hifi), die den Hi-Sky-Fi-Tech weglassen und Afrolatin-Hooks mit T-Connection-Basslines verbinden. Nicht ganz so vordergründig, eben smart und deeper gestaltet sich Joey Negros Akabu „Phuture Bound“ im Medusa Mix (Interface).
Altmodisch kosmisch groovt und pumpt sich Lindstrøms „Another Station“ im Todd Terje Remix (Feedelity) hoch zu einer euphorischen galaktischen Discoparty auf Stern 7, wo sich auch Brennan Green befindet, der Mann, der zuweilen mehr Fender-Fusion orgelt als seine Kollegen, so zu hören in seinem One Night Stand Mix für Dirty 30 „Red Temple Balls“ (Truffle), wobei der Steve Yanko 76 Mix mit mehr Clavinett-Sound auch nicht schlecht ist. Noch besser kommt der knorke Clavinett Sound bei Jamie Finley „Temperature“ (WahWah) einer Mpoptempo Boogie Ballade ganz in Prince’scher Manier.
Etwas in der Geschwindigkeit gedrosselt, trommelt und kickt Jazzanova verzückend zwei Mixe für Status 4 „You Ain’t Really Down“ (Sonar Kollektiv) heraus, die klasse Drumbreaks, den nötigen Spirit sowie ein dreiminütiges pures Afrodisco-Anthem beinhalten. Ebenso fantastisch sind die drei (!) Jazzanova „Flashback“ Remixe für Fat Freddys Drop (Sonar Kollektiv), wobei hier mehr das große Gefühl des Song imVordergrund gehalten wird, während sich dem Jazzanovas verzockte Handschrift unterordnet. Sie wissen halt wem Ehre gebührt und machen es im Sinne neuseeländischer Realness.
Zurück zum Orbit: Maurice Fultons Syclops „The Fly/Nelson’s Back“ (Tirk) prunkt auch wieder mit versierten Live-Drum Sounds und Breaks, schiebt knarzige Moog-Fetzen ein, die sich spät aber geil zu kleinen Melodien hochschrauben. No flops – echter Klops!
Den vielleicht deepsten alten Sound auf neu zu trimmen schafft Tokyo Black Star mit „Black Star“ und „Deep Sea“ (Innervisions) und hegt und pflegt damit eine feine, bisweilen seltene Tradition von knochentrockener minimaler 70er Disco über den Nu Groove Sound Ende der 80er zu heutiger spritueller Neo-Disco. Rundum großartig vom Vibe bis zum Sound.
Nach letztjähriger John Foxx/Joakim-Cooperation folgt unter dem Banner The Vanity Project eine Jan Hammer/Kirk DeGiorgio Kollaboration: The Beauty Room, Kirks Liveprojekt covert Jan Hammers 78er Ballade „Don’t You Know“ (New Religion) in einer wunderschönen Club-Kuriosität, zu dem Hefner auf der Flipspope noch wunderbar ein Donald Fagen oder Was Not Was raushängen lässt, und beweist, wie schön Blue Eyed Soul Discoballaden heutzutage kommen können.
Cymandes „Brothers On The Slpope“(Still Music) gut zu covern ist eine Herausforderung, die Patchworks angenommen, mit Bravour und unter Roy Ayers Inspiration gemeistert, von Jimpster und Irfan remixen lassen hat, dennoch mit dem eigenen Brooklyn-Mix in puncto Boogie-Disco-Sause vorne liegt.
Marc de Clive-Lowe hat sich mit Bembe Segue zu The Politik zusammengeschlossen, um den Bugz als Supergroup Kollektiv nachzueifern, zumindest ist„Money“(Antipodean) schon mal eine ausgezeichnete Doktorarbeit der Broken Afro Soul West London Schule. Zu der übrigens auch Enrico Volcov zählt (Rima, Neroli) der gleich zwei Isoul8 Maxis („How I Feel“ Neroli) vorlegt, von der „On My Heart“ (Still Music) die souligere und stärkere ist.
Nennen wir es Polyfunk, etwas zwischen Wave, Cosmic und Fusion was Beanfield in ihrem Remix für Joe & Jessy „130“ (Kosmo) da hinzaubern. Knorke Nummer. Ansonsten könnt ihr im Orbit von Phusion noch die Maxis von Tommie Sparxxx Soulz „Misery“ , Rondenion „Blue Rhodes Dance“ (Still Music), Orgatronics „Footprints“ (One Note), Zwicker meets James Teipdeck EP auf Bearfunk, den Diesler Remix für The Society „Human Nature“ (Freestyle) sowie Innocent Sorcerers „One Dollar Race“ (Raw Fusion) auschecken.
Ach übrigens: allen Platten hier fehlt jede Aggressivität und wie Sun Ra schon wusste, verbirgt sich hinter der Schwerelosigkeit von astraler Disco der Drang und die Suche nach Höherem. In dem Sinne euch allen ein: spaciges soulful 2006.
Phusion
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