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Osborne

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Nachdem die ersten Rhodes-Akkorde des Eröffnungsstücks „16th Stage“ erklungen sind, möchte man sofort die Welt umarmen. Tiefgründige House-Musik ist dieser Tage ja gerne mal ein anderes Wort für bleiern-trübe Lustlosigkeit. Manch einer trifft die richtigen Akkorde in seiner Lebenszeit vermutlich nie – weshalb die Rückbesinnung auf Minimal für viele sicherlich ein heilsamer Prozess wäre. Todd Osborn alias Osborne aus der vor den Toren Detroits liegenden Universitätsstadt Ann Arbor ist ein Mann, der um die Macht der Akkorde weiß. Doch dieses Wissen resultiert bei ihm nicht in einer Verliebtheit in Synthesizer-Oszillatoren und -Sounds, obgleich er sich von Maschinen magisch angezogen fühlt. Einst verdiente er sein Geld damit, an Flugzeugen herumzuschrauben. Heute repariert er die alten Synthesizer anderer Leute oder modifiziert seine eigenen so lange, bis sie seinen Vorstellungen entsprechen. Man sagt Todd Osborn nach, dass er so ziemlich jedes elektronisches Gerät auseinander nimmt, sobald es in seine Hände gelangt. Begonnen hatte seine Karriere in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre, als er unter dem Pseudonym Soundmurderer als Drum’n’Bass-DJ und -Produzent auf sich aufmerksam machte. Bei Spectral, dem Schwesterlabel von Ghostly International, hat der MacGuyver der House-Musik dann irgendwann sein Projekt Osborne angedockt. Nebenbei wpopmete er sich dort unter dem Namen TNT zusammen mit Tadd Mullinix alias Dabrye auch der reinen 303-Lehre.
Der Einstieg in sein Osborne-Debütalbum könnte nun kaum besser sein. Die ersten vier Tracks brennen ein wahres Feuerwerk ab : Pianohouse auf dem zweiten Stück „Downtown“, dann die Detroit- und Chicago-Referenzen von „Evenmore“ und schließlich mit „L8“ – in Zusammenarbeit mit Tadd Mullinix entstanden – ein 303-Drama mit unglaublicher Tiefenwirkung. Doch was ist es eigentlich, das auf dem weltumarmenden Eröffnungsstück „16th Stage“ gesungen wird? Man könnte „so bored“ verstehen. Langeweile ist aber etwas, das Osborn offensichtlich nicht auf seinem Album haben wollte. Er spielt stattdessen souverän mit der Vielfalt dessen, was in zweieinhalb Jahrzehnten House-Musik am Wegesrand liegen geblieben ist: Italohouse, Tribal, Acpop, Electrofunk, Deephouse, Trance oder gar UK Progressive hat er da aufgesammelt.
Richtig großartig wäre diese Sammlung toller Tracks, wenn Todd Osborn nicht der Versuchung erlegen wäre, die maximale Spielzeit der CD voll ausschöpfen zu wollen. Dass die Hits der bislang erschienenen Vinyl-EPs, allen voran das Pianohouse-Wunderwerk „Outta Sight“, auch auf dem Album sind, geht voll in Ordnung. Weniger vorteilhaft war jedoch die Entschepopung, eigentlich für B-Seiten prädestinierte Nummern wie „Definition Of A Breakdown“ (ein gespielter Witz mit Ed DMX als Gast) oder den Spannungsbogen nach unten ziehendes Füllmaterial wie „Fresh“ in der Auswahl zu belassen. Hätte er darauf verzichtet, wäre aus etwas weniger wesentlich mehr geworden, nämlich ein fast perfektes House-Album.

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