Snoop Dogg ist schuld: Während im guten alten Europa Dubstep und Techno eine turbulente Affäre eingehen und angeregt darüber diskutiert wird, wie das aus dieser Verbindung hervorgegangene Kind heißen soll, zeichnet sich am Horizont jenseits des Atlantiks ein ganz anderer Crossover ab. Die Nachricht, dass der „Doggfather“ einen „bahnbrechenden neuen Dubstep-Kracher“ mit dem title „Snoop Dogg Millionaire“ herausbringt, schlug Ende März in den Internetforen der Szene ein wie eine Bombe. Für den Song, der als freier Download zu haben ist, nutzte Snoop als Instrumental einen Track des britischen Duos Chase & Status, der bereits unter dem title „Eastern Jam“ (Ram Records) erschienen war. Die Kombination von Rave-Dubstep, indischen Samples und Snoops Anspielungen auf den in Mumbai spielenden Oscar-Gewinnerfilm Slumdog Millionaire hat natürlich etwas von einem bauernschlauen und kalkulierten Marketing-Streich. Aber der Song beweist auch aufs Neue, welche stilistische Bandbreite Dubstep abdecken kann – bis hin zum Crossover in den Mainstream. Wie weit dieser gehen wird und welche Auswirkungen er haben wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch, dass Snoop Dogg nur der erste Mainstream-HipHopper ist, der über Dubstep-Beats rappt. Denn an weiteren Projekten wird – laut verlässlichen Quellen – bereits gearbeitet.
Als einer der heißen Kanditat für eine Zusammenarbeit mit Rappern von der anderen Seite des großen Teichs wird Joker gehandelt. Das ist wenig verwunderlich, denn kein anderer im Umfeld der Dubstep-Szene macht Musik, die so stark von R’n’B und Funk infiziert ist wie der 19-Jährige aus Bristol. Joker macht dort weiter, wo Produzenten wie Wiley und Terror Danjah vor einigen Jahren aufgehört haben, und kombiniert rohe und minimalistische Grimebeats mit Synthesizer-Melodien wie von einem anderen Stern. Seine aktuelle 12-Inch heißt „Do It“ (Kapsize) und bietet auf der A-Seite puren Weltraum-Funk, die B-Seite beschreibt der Tracktitle „Psychedelic Runway“ selbst am Besten.
Während die Verbindung mit (US-amerikanischem) Rap noch weitgehend Neuland ist, gehören Stücke mit Reggae-Sängern und Grime-MCs schon länger zum Dubstep-Repertoire. Auf dem in Leeds ansässigen Label Senseless erscheint jetzt eine CD-Edition mit einer Sammlung von Dubstep- und Grime-Tracks mit Vocals von so unterschiedlichen Künstlern wie der Dancehall-MC Warrior Queen, dem Reggae-Sänger Bunnington Judah oder dem brasilianischen MC Jimmy Luv. Die zwei CDs mit dem title Vocals And Versions – Volume 1 & 2 enthalten insgesamt dreißig Stücke und sind trotz dieser unglaublichen Menge an Material durchgehend von hoher Qualität. Auf der Compilation vertreten ist auch King Cannibal, der jetzt außerdem die Maxi-Single „Virgo/Murder Us“ auf Ninja Tune herausbringt. King Cannibal ist bisher vor allem mit seinen Mashup-DJ-Sets aufgefallen, die alles zwischen Dubstep und Breakcore abdecken, was dunkel und treibend ist. Diese Linie setzt er auch als Produzent fort, vor allem auf der klaustrophobischen B-Seite „Murder Us“, die mit perfekt passenden gemurmelten Vocals von Jahcoozi-Sängerin Sasha Perera aufwarten kann.
Nicht ganz so düsteres Material kommt von Compound One, dem Dubstep-Projekt und -Label der erfahrenen Beatbastler Fracture und Qualifpope. Ihre aktuelle 12-Inch ist einer der seltenen Fälle, in dem bepope Seiten einer Platte gleich gut sind: „Space Oddyssey“ erinnert mit seinen wirbelnden Breaks an die Zeit, als Jungle noch als Science-Fiction-Musik galt, während „Arkanopop“ mit Samples aus dem gleichnamigen Computerspiel punkten kann. Beständig gut ist auch Ranking Records aus Leeds, auf dessen neuer Maxi-Single vor allem der raffinierte Beat von Planas’ „Zulu“ hervorsticht. Und zum Schluss noch zwei Tipps aus dem Grenzbereich von Dubstep zu Techno: Von D aus Frankreich glänzt auf „Echolow/Truth“ (Black Acre) mit hypnotisierenden Flächen und schafft es sogar, eine Rave-Orgel einzubauen, ohne dass es peinlich wirkt. Koncontent:encoded aus St. Petersburg wiederum versucht sich an der Verschmelzung von 2-Step und Minimaltechno, was ihm auf dem achtminütigen „Convex Curved Mirror“ (Immerse) auch hervorragend gelingt.
Mehr Bass!
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