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Freistil

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Freistil fand in Miami während der Winter Music Conference nicht wirklich statt, doch ist anzumerken, dass inzwischen auch die üblichen großen Namen die eine oder andere coole neue Disco-Scheibe oder slicke Edits auflegen– sofern sich die Platten ins House-Korsett zwängen lassen. Zum Beispiel Mark Es Edit der Krautrocker Birth Control, ein episch gleißendes, gut abgehangenes Stück Spacedisco im unteren BPM-Bereich von House. Sicher nicht ebenso elegant deep, eher vordergründig, aber funktionell dank vieler bekannter Discosamples, also quasi mit Moroder und Bohannon durchtränkt, kommt der Casinoboy mit „Time Rpoper/Serious“ auf Jisco daher. Auch die Italo-Fraktion um Phreek Plus One kündigt dämonische, aber intelligente Slomo-Disco an: „That’s It“ (Z-Records) oder „Bumpin’ Skyline“ (Black Label) mit einem superben Sportlotto-Remix. Sportlotto ist Russe und wie auch der St. Petersburger Produzent AN-2 ein interessierter, interessanter Neodisco-Stratege. Oder Robin Hannibals (von Owusu & Hannibal) neues Solo Projekt Parallel Dance Ensemble, das auf „Pizza Turtle Cadillac“ mit drei schräg koketten Tunes aufwartet, die an Jimi Tenor meets Ost & Kjex meets Owusu & Hanibal Tunes erinnern. Erscheinen auf einem von Yam Who? neu gegründeten Label, dessen Name bei Redaktionsschluss noch nicht feststand. Apropos Ost & Kjex, das kosmisch-komische Duo aus Oslo hat Neues am Start: zunächst seine Kooperation mit Jamie Jones, „Summertime“, ein tiptop enthusiastischer, tiefgründiger Vocaltrack (Freak N’ Chic), außerdem der im Mai erscheinende Remix für Wigald Bonings „Kobra Dance“. Bepope verkürzen das Warten auf ihr erstes Album im Herbst angenehm. Und apropos Oslo – ihr Discostyle findet in John Talabots „Old School EP“ (Permanent Vacation) durchaus eine Fortsetzung: im sorglos-entspannten Hantieren mit Drummachine plus diversen Samples aus den Disco-, Pop-, KDJ- oder Trus’me-Universen. Also der Osloer Freestyle-Freigeist sozusagen, den der junge Katalane da entfacht.
Auch auf Manuel Turs Debütalbum auf Freerange darf man gespannt sein, kündigt der Essener doch an, dass dies weitere Facetten neben seinem Trademark-House aufzeigen soll. Auf den ersten Maxis, „Will Be Mine“ feat. Alexander East und „Stay“ mit der tollen Larissa Kapp, regt Tur mit Industrial-artigen Sounds, warmen Bässen, dicken Mpoptempo-Grooves und sogar Achtziger-2-Step-Soul oder Garage-Soul sehr charmant den Appetit auf mehr an. Mmmh! Und die Mixe von Ian Pooley und Arto Mwambé dürften sowohl die Ladies als auch die Oldschool-NYC-Housefreaks vergnügen. Parallel solltet Ihr Euch auch Larissa Kapp solo anhören, und zwar bevorzugt „Lost Piano“ (Tjumy) im Remix von Whare Wurlitzer. Epischer, krautiger, breitwandiger, aber auch holziger geht es bei A Mountain Of Ones „Institute Of Joy EP“ zu. Und passend zum geklonten Hype gibt es die Vinyl-EP auch in einer limitierten Box mit T-Shirt, Anstecker und Poster. Ebenfalls durch ein Vinyl-Boxset, und zwar mit zwölf Chromolux-Kartonagen, macht ein Projekt namens Left Behind auf sich aufmerksam: „Songs For The Swans“ enthält die Musik eines mitunter schöngeistig klampfenden südafrikanischen Gitarristen. Ich würde aber sagen, das ist nur etwas für Leute, die die Muse haben, sich neben semiakustischem Kraut-Spacerock noch virtuosen Neofolk mit Kontrabass und akustischer Gitarre reinzuziehen. Und/oder die einfach alle verfügbaren Vinyl-Boxen sammeln.
Ganz erfrischend ist, dass Luv’n’Haight, das Retro Label von Ubiquity, mal wieder etwas veröffentlicht – und zwar Betty Padgetts „Sugar Daddy“ sowie Arthur Foys „Get Up And Dance“. Wobei ersteres eine tolle, eingängige Soul-Raregroove-Hymne ist, die die Frage, ob das nun alt oder neu auf alt getrimmt sei, ganz egal sein lässt. Es ist in jedem Fall eine Veröffentlichung wert. Ob Retro oder die Zukunft, um den zeitlosen genialen Afrojazz des Äthiopiers Mulatu Astatke mit seiner Megaband The Heliocentrics kommt man heuer nicht herum. Das Album Inspiration/Information (Strut) ist das Beste aus dieser Richtung, was man 2009 auf Vinyl, CD oder auch live hören kann. Und wer sich anfixen will, der besorgt sich erst mal den Remix „Inspiration Information 2“ von Henrik Schwarz.
Und nun noch zu den kleinen schwarzen Dingern, die Raregroovies und Soul-7-Inch-Freaks interessieren dürften: Lefties Soul Connections „Have Love Will Travel“ und Lucinda Slim & The Soul Stars’ „All This Time“ (Melting Pot) sind knorke. Den darbenden Fans von Bajkas Stimme kann man Solarosas „Humanised“ (Way Up Recordings) ans Herz legen, ein R’n’B-Swing mit der an Nina Simone erinnernden Stimme Bajkas. Bitte einen Edit oder Remix davon machen! Im Verborgenen blieb bislang das Acpopfolk-Album Visions Of Dawn (Far Out) der brasilianischen Psychedelicsoul-Kultsängerin Joyce, das nun nach 33 Jahren (Trio-Aufnahmen von 1976 in Paris mit Nana Vasconcelios und Mauricio Maestro) das Licht der Welt (äh: den CD-Laser) erblickt und in keiner Joyce Sammlung fehlen sollte.

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