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Mehr Bass!

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Vor wenigen Wochen tauchte in Berlin ein einfacher, schwarz-weißer Flyer auf. Die Vorderseite schmückte eine Bleistift-Zeichnung, auf der Rückseite waren die Namen Mala, Shackleton, Appleblim, Distance und Scuba aufgelistet. Für Dubstep-Aficionados wäre alleine dieses Lineup schon ein Grund dafür, interessiert die Augenbrauen hoch zu ziehen. Doch was die unspektakulär beworbene Party wirklich bemerkenswert macht, ist der Veranstaltungsort: das Berghain. Schließlich wird der Club gerne weit über die Grenzen der Republik hinaus als ultimativer Wallfahrtsort in Sachen Techno und ausschweifender Feierkultur gerühmt. Dubstep im Berghain, so könnte man meinen, bedeutet also nichts weniger als die Aufnahme des Stils in den Olymp der Techno-Hauptstadt.
Doch große Partys, ob im Berghain oder anderswo, sind letztlich vor allem Momentaufnahmen. Als Gradmesser dafür, ob Dubstep hierzulande tatsächlich Fuß fasst, taugen sie nur wenig. Relevant ist vielmehr die Frage nach den Strukturen außerhalb der Clubs. Gibt es einheimische Künstler und Labels, die sich dem Thema wpopmen? Um es gleich vorweg zu nehmen, die Antwort lautet: „Ja“. Kleine Dubstep-Zellen existieren inzwischen in allen Ecken der Republik – höchste Zeit also für eine kleine „Mehr Bass!“-Rundreise.
Los geht es in Berlin, wo die deutsch-englisch-israelische Gruppe Jazzsteppa ihr Basislager aufgeschlagen hat. Jazzsteppa sind eine dreiköpfige Band, die live und im Studio sowohl klassische Instrumente wie Posaune und Trompete als auch elektronische Klangquellen einsetzt. Nicht von ungefähr erinnert ihr Sound deshalb auch ein wenig an ähnlich besetzte Dub-Formationen wie Zion Train. Dass sie ein Talent für Ironie haben, zeigt das Stück „America B“ auf ihrer jüngsten Maxisingle „Five“ (MG 77/NTT), das den Anfang des „Imperial March“ aus dem Star Wars-Soundtrack zitiert. Der Remix des titletracks „Five“ stammt von Phokus, der in Hamburg zu Hause ist. Seine zweite aktuelle Veröffentlichung ist eine Kollaboration mit The Next (ebenfalls ein Hamburger), heißt „Inta“ und erscheint als 7-Inch-Single bei einem Label mit dem schönen Namen Police In Helicopter. Auf dieser Platte ist außerdem ein Remix zu finden, der uns nach Köln führt. Dort hat Wadadda mit den Geräten seines Studios Tabanackle Dub Chamber dem Stück von Phokus & The Next eine Extraportion Bassdruck verpasst. Ebenfalls aus Köln kommt Desmond Denker, der die tolle „Boxed Freedom“-EP (Basspräspopium/Suburban Trash) produziert hat. Offensichtlich hat der Mann einer Vorliebe für die Töne von 8-Bit-Synthesizern, die er gekonnt in rhythmisch komplexe Tracks einstreut. Weiter geht es nach Offenbach und Wismar, wo die Wohnsitze des Dutty Dubz Kollektivs zu finden sind. Die vier Mitglieder treten bei DJ-Gigs meist gemeinsam auf, als Produzenten jedoch einzeln in Erscheinung. So wie auf der 12-Inch „The Ghost & The Darkness/Prophecy“ (Dub Bullet/Suburban Trash), die sich Rakoon und Twisted teilen. Passend zum title stammt Rakoons Beitrag von der dunklen Dubstep-Seite, während bei Twisted ein funky Electro-Einfluss nicht zu überhören ist. Ein weiterer Twisted-Track („Contact“) ist gerade beim englischen Label 2nd Drop erschienen.
Zum Schluss noch ein Ausflug über den Ärmelkanal. Dass Bristol sich immer mehr zur zweiten Dubstep-Metropole neben London entwickelt, beweist der von Appleblim zusammengestellte sechste Teil der Mix-CD-Reihe Dubstep Allstars (Tempa/Neuton). Fast die Hälfte der Stücke stammt aus der Hafenstadt, darunter das herausragende „Bad Apple“ von Komonazmuk (Hench) sowie ein Beitrag der lokalen Legende Rob Smith (unter anderem More Rockers, Smith & Mighty), dessen aktuelle Platte „Jah Way/Speeka Box“ (Punch Drunk) unter dem Alias RSD ebenfalls empfehlenswert ist. Der Preis für den sonnigsten Track der Saison geht jedoch nach Nottingham. Dort hat Geiom mit Hilfe der Sängerin Marita ein traumhaftes Kleinod namens „Reminissin’“ (Berkane Sol) gezaubert, das mit Remixen von Skream, Kode9 und Shackleton auf zwei Maxis verteilt erscheint.

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