Mit seinem 2009 erschienenen Debütalbum <i>Reflections</i> lieferte Martin Stimming ein Lehrstück emotionaler Ökonomie ab, das auf funktionaler Ebene ebenso zu überzeugen wusste, wie auf dramaturgischer. Vor allem verstand es der Wahl-Hamburger jedoch seit jeher, seinen Klängen eine unglaublich haptische Dimension zu verleihen. Diese Stärke spielt er nun voll aus und lässt sein zweites Album fast ausschließlich um düstere Rhythmusfiguren kreisen, deren Clubkoncontent:encoded nur noch als fliehender Schatten zu erahnen ist. Es dominieren spärliche Harmonien und perkussive Versuchsanordnungen, die wie der Lichtkegel einer Taschenlampe durch die groß angelegten Assoziationsräume huschen und die stockfinstere Umgebung erforschen. Dabei sieht man all die Tablas, Cabasas und Congas, die sich immer wieder zu neuen Mustern formieren, so lebendig vor dem geistigen Auge, dass einem die häufig karge Ausstattung der Tracks kaum auffällt. Diese tastende, experimentierende Haltung geht komischerweise nie auf Kosten der finsteren bis elegischen Stimmung, die sich immer wieder in cineastischer Breite erhebt. Das Wechselspiel aus dieser schier erdrückenden Klaustrophobie und den sie auflösenden, melancholischen Pointen macht <i>Liquorice</i> zu einem überzeugenden Künstleralbum, das sich dennoch am äußersten Rand der aktuellen Clubmusik verorten lässt.