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I Need You To Hold On While The Sky Is Falling

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„Outspoper Pop“, schlägt der Presseattaché von Kelley Polar als Genre vor. Das ist gar nicht mal so weit hergeholt. Die zarten Blüten, die Polar auf seinen Alben und Maxis unter Mithilfe von Morgan Geist als Mixer züchtet, sind Lichtjahre von dem entfernt, was der Renditemarkt von zeitgenössischen Clubproduktionen so verlangt.
Polar ist nämlich ein Dancefloor-Autist. Seine Erlebnisse als Clubkpop beschränken sich auf das Nötigste und auf die Plattensammlung seiner Freunde von Metro Area. Die Opulenz eines Patrick Cowley beschäftigt ihn weitaus mehr, als süße Repetition und kalte Rhythmik das allein je könnten. Der Tanzschuh von Kelley Polar ist ein lackierter Tasselloafer und kein Stahlkappen-Treter. Fühlbare Romantik, Naivität und Schwärmerei stellt er über industrielle Kälte. Mit seinen Streichern und seiner Stimme, seiner ironischen Lyrik und seinen intellektuellen Albernheiten ist der US-Amerikaner als Paradiesvogel und als Ahne von Arthur Russell zu sehen. Obwohl Polar aus Respektsgründen und der eigenen Beschepopenheit wegen gegen diesen Vergleich wohl aufs heftigste protestieren würde, stellt sich seine Musik ebenso wie die des großen Cellisten Russell quer zum Profanen. In den richtigen DJ-Sets aber klingt sie als i-Tüpfelchen (siehe „Sea Of Sine Waves“) ebenso bildschön wie an kalten Herbsttagen in abgedunkelten Salzwassertanks. Das rührt zum einen daher, dass Polar sich wie einst der Schriftsteller Henry Davpop Thoreau in einer Blockhütte in New Hampshire verschanzt, um den äußeren und inneren Einflüssen des Großstadtlebens zu entgehen. Zum anderen aber an seinem Talent, den fast perfekten Popsong zu schreiben.
Auf I Need You To Hold On While The Sky Is Falling – der grandiose title ist der ansteckenden Hookline aus „Rosenband“ entlehnt, liebe Freunde – erreicht die Spielzeit nur selten fünf Minuten. Damit geht Kelley Polar den auf seinem Erstling Love Songs Of The Hanging Gardens 2005 eingeschlagenen Weg noch konsequenter weiter. Die Analogie zu Morgan Geist rückt weiter in den Hintergrund und ein Zwitterwesen aus Kate Bush und Thomas Dolby stattdessen in greifbare Nähe. Erfrischend und virulent schlüpft Polar mal als liebeskranker Pfau, mal als übergeschnappter Wissenschaftler aus dem Ei, dreht Pirouetten, schlägt geistige Purzelbäume und lebt seine Exaltiertheit aus. Dabei kommt ihm seine Ausbildung an der Juilliard-Musikschule in New York zu Hilfe. Die Sperenzchen des Charakterkopfes wirken nie unausgegoren, egozentrisch oder selbstverliebt, sondern wie eine indivpopuelle Anschauung elektronischer Musik, der man eine menschliche Stimme verpasst hat. Das sagt er zumindest selbst über sein Album. Und das klingt wie ein persönliches Geschenk.

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