Fasst man die Geschichte des Factory-Labels aus Manchester auf Spielfilm-Länge zusammen, wie es vor einigen Jahren der Regisseur Michael Winterbottom in 24 Hour Party People getan hat, dann stehen vor allem drei, beziehungsweise zwei Bands im Fokus des Geschehens. Da sind zu Beginn natürlich Joy Division, aus denen nach dem Tod ihres Sängers Ian Curtis 1980 New Order wurden, sowie am Ende des Labels die Happy Mondays. Aber selbst wenn man die Diskografie von Factory auf vier CDs und in 63 Stücken präsentiert, so wie bei dieser kenntnisreich von Autor Jon Savage (England’s Dreaming) zusammengestellten Compilationbox, dann bleiben die Eckpfeiler dieselben: Von Joy Divisions „Digital“ aus der ersten Factory-Veröffentlichung „A Factory Sample EP“ 1978 bis zur letzten Factory-Platte, Happy Mondays „Sunshine And Love (Lionrock Remix)“, die Ende 1992 zu einem Zeitpunkt erschien, als das Label eigentlich schon pleite war.
Doch zwischen diesen bekannten Anfangs- und Endpunkten gibt es hier noch genügend Überraschendes, Obskures und zu Unrecht Vergessenes zu hören. Reggae- und Comedy-Songs etwa, die Proto-Postrock-Musik von Durutti Column oder frühe Veröffentlichungen von Musikern wie Primal Screams Bobby Gillespie. Factory gehörte während seiner 14-jährigen Existenz zu den Protagonisten gleich mehrerer musikhistorisch bedeutender Entwicklungen. Bands wie Joy Division und A Certain Ratio waren wichtige Vertreter des Postpunk, und das Madchester-Rave-Phänomen wäre ohne den Factory-Club Haçienda und die Happy Mondays kaum möglich gewesen. Auf Factory Records – Communications 1978-92 befinden sich aber noch zahlreiche weitere, vor allem für die elektronische Musik wichtige Platten. Industrial- und Synthiepop-Pioniere wie Caberet Voltaire oder O.M.D. haben auf Factory veröffentlicht. New-Order-Tracks wie das von Arthur Baker produzierte „Confusion“ zeigen – wie übrigens auch die fünf kürzlich mit einer Bonus-CD veröffentlichten Sammlereditionen der Factory-Alben dieser Band –-, dass ihre stärksten und innovativsten Arbeiten die A- und B-Seiten ihrer Singles und nicht etwa ihre Alben waren. Und auch wenn Factory Ende der Achtziger und Anfang Neunziger das Aufkommen von House und Techno lediglich in der Auswahl von Produzenten und Remixern reflektierte, gab es vor allem in den Jahren 1983 und 1984 eine Reihe von Platten, welche die neue amerikanische Clubmusik mitprägten. Der fantastische Megamix von Section 25s „Looking From A Hilltop“ etwa wurde zu einem Dancehit in den USA, und „Love Tempo“ von Quanda Quango, dem Projekt des späteren Haçienda-DJs und M-People-Gründers Mike Pickering mit Hillegonda Rietveld, beeinflusste vor allem frühe House-Produzenten in Chicago. Die Factory-Box, zu der auch ein siebzigseitiges Booklet gehört, ist damit nicht nur ein herausragendes Zeitdokument. Sie bietet DJs auch heute noch einige sichere Tanzflächen-Füller.
Communications 1978 – 92
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