Kieran Hebden gehört ja nicht erst seit gestern zu den Hoffnungsträgern der electrophilen Avantgarde des britischen Tüftelwahns. Bereits in den spröden Postrock-Experimenten seiner noch zu Schulzeiten gegründeten Band Fridge war das Potenzial eines anderen Denkens hörbar. Hebdens Soloprojekt Four Tet, mit dem er 1998 zu Domino gelangte, zeigte dann von Anfang an eine gesteigerte Tendenz zu kleinteiligeren, bewusst elektronischeren Sounds, hielt aber über die ersten drei Alben stets die Nähe zu Folk- und Songwriter-Traditionen. Mit Everything Ecstatic kam die Wende zu expressiv-experimentellen, jedoch durchaus tanzbaren Beats, in deren Affinität zu poppigem Noise fast schon etwas Prophetisches lag. In den vergangenen vier Jahren gab es dann zwar die gesammelten Remixes, eine Hand voll EPs sowie zwei ziemlich großartige Alben des Steve Reid Ensembles, zu denen Hebden seinen Beitrag leistete – der abendfüllende fünfte Four-Tet-Longplayer ließ jedoch auf sich warten.
Umso erfreulicher, wenn bei derart über die Jahre gewachsenen Erwartungen nun ein Kleinod wie There Is Love In You zur Tür hereinflattert. Die Verkopftheit früherer Werke ist auf dem neuen Album einer subtileren Geste gewichen, welche die zweifellos nach wie vor vorhandene Komplexität nun nicht nur etwas weniger zur Schau stellt, sondern diese auch in einem eigenwilligen Popappeal aufgehen lässt. Die streng limitierte Vorab-Singleauskopplung „Love Cry“ schürte ja bereits die Ahnungen, dass – wenn sich ein derart differenziertes Spiel mit Rauschfrequenzen, Beatverschachtelungen und Sirenengesang auf Albumlänge ausweiten ließe – mit dem Longplayer ein wegweisendes Stück Popmusik auf uns zurollen würde. Nicht weniger ist jetzt geschehen. Mikrosamples werden zu ambienthaft dicht gepackten Polyphonien geschichtet, in denen sich betörende Engelsstimmen mit rückwärts gespielten Pianomelodien und allerlei Glockenspiel zu einem Klang verbinden, der in abgelegenen, dicht bewaldeten Inseltälern voller Zauber und Geheimnis, fernab von jeglichem äußeren Einfluss gewachsen zu sein scheint. Die immer wieder aufkeimende gerade Kickdrum konzentriert die Pluralität der Reize zu einem linearen Groove, der an etwas, was ich „intellektuellen House“ nennen würde, durchaus entlang schrammt, sich allerdings immer wieder zu speziell gebärdet, um einer solch simplen Kategorisierung einfach nachzugeben. Dennoch, obwohl die hier versammelten neun Stücke weit davon entfernt sind, ein reines Dance-Album zu bilden, kann man sich dem permanenten Aufruf zur Bewegung nicht entziehen. Dabei ist man jedoch immer wieder geneigt, kurz stehen zu bleiben, nur um für einen Moment, einen Augenblick lang andächtig zu lauschen. Um sich klarzumachen was da gerade um einen herum passiert. Um zu merken, dass man gerade einen Blick in die Zukunft von Pop geworfen hat.