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GRACE JONES Hurricane (Wall Of Sound)

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Mit diesem Album hätte wohl niemand mehr gerechnet. Grace Jones, die große Unberechenbare, hat nach 19 Jahren ohne Veröffentlichung wieder ein Studioalbum aufgenommen, das zu einer der positiven Überraschungen des Spätherbsts gehört. Man musste ja mit dem Schlimmsten rechnen: Gäbe es denn einen anderen Grund, sich nach all der Zeit wieder ins Studio zu bewegen, außer der Notwendigkeit, mal wieder ein bisschen Geld in die Kasse zu spülen? Genügend Angebote wird sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten wohl gehabt haben – umso erstaunlicher ist es, dass Hurricane zu einem ihrer drei besten Alben gehören dürfte.

Von all den Persönlichkeiten, die das fruchtbare Nachtleben New Yorks in den späten siebziger Jahren hervorgebracht hat, dürfte Grace Jones mit Sicherheit die extravaganteste gewesen sein. Die Tochter eines jamaikanischen Predigers sang im Studio 54 und nahm ihr erstes Album Portfolio auf, das mit den Arrangements von Vincent Montana und der Produktion von Tom Moulton noch lupenreiner Discosound war. Zusammen mit ihrem damaligen Freund, dem Fotografen Jean-Paul Goude, entwickelte sie drei Jahre später einen aggressiven, radikalen Stil: Sie inszenierte sich als androgyne, hyper-sexualisierte Fashion-Amazone. Halb Mann, halb Frau; halb Mensch, halb Tier. Sie trat im Gorillakostüm im Käfig auf und ließ ihren nackten Körper in der Paradise Garage von Keith Haring bemalen. Das Publikum, je nach Beschaffenheit, dankte es mit grenzenloser Verzückung oder angsterfüllter Faszination. Legendär sind ihre Publikumsbeschimpfungen, ihre abgesagten Auftritte und ihre exzessives Partyleben.

Zwischen 1980 und 1983 nahm Jones großartige Platten wie „I’ve Seen That Face Before (Libertango)“ oder „Pull Up To The Bumper“ auf – eingespielt mit den jamaikanischen Musikern Sly & Robbie, die ihre Musik zwischen Reggae, Chanson und New Wave mit einer ultratransparenten Härte versahen. 1985 erschien mit dem von Trevor Horn produzierten Slave To The Rhythm ihr letztes erfolgreiches Album. Danach fuhr Jones ihre Karriere konsequent gegen die Wand.

Und nun das. Ein Satz, This is my voice, my weapon of choice, und schon ist man wieder gefangen in der Welt der Grace Jones. Produziert wurde Hurricane von Ivor Guest, eingespielt mit unter anderem Sly & Robbie, Brian Eno, Tricky und Tony Allen. Man hört dem Album diese Vielzahl an Beteiligten auch an: von Trickys Slowmotion-Düsternis der Single „Corporate Cannibal“, auf der Grace Jones überzeugend mit ihrem Menschenfresser-Image spielt, über die funky Stakkatobeats von „This Is Life“, dem Zitieren ihres alten Reggaesounds auf gleich drei Songs bis zu den cinematografisch angelegten „Hurricane“ und „The Devil In My Life“. Zusammen gehalten wird das alles von ihrer Stimme, mit der sie zwischen grausamer Jetset-Kälte, einem schnurrenden Panther und der emotionalen Verbindlichkeit einer reif gewordenen Chanteuse wechseln kann – und zwar innerhalb von Sekunden. Hurricane ist ein Album, das einen noch lange beschäftigen wird.

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