Letztes Jahr hatten The Knife mit “Pass It On” einen kleinen Hit, der über die üblichen Hipsterkreise hinausging. Das dazugehörige Album Deep Cuts wurde in der entsprechenden Presse aber kaum wahrgenommen. Dabei ist es dem schwedischen Geschwisterpaar gelungenden 80s-Synthie-Pop – also das Revival von dem man sich gerade verabschieden wollte – noch einmal gebrauchsfähig zu machen. Die dreisten Zitate haben Karin und Olof Dreijer mit Acts wie Fischerspooner gemein, aber ihr Songwriting ist doch deutlich eigenständiger und schwerer zu verorten.
Wie die anderen brauchbaren 80s-Retro-Acts machen sich The Knife die Eigenschaften des 80er Synthie-Pops zunutze, die auch damals schon die größte Sprengkraft hatten. Der verstörende Mensch-Maschine-Zukunftsentwurf – der dann ja auch zum Haupteinfluss für die Techno-Pioniere in Detroit wurde – und die sexuelle Ambivalenz der New Romantics, die eine große Anziehungskraft auf alle ausübten, die genug vom Macho-Gehabe in Musik und Leben hatten. Beides war Waffe im Kampf gegen die vermeintliche Authentizität des verschwitzten, ehrlichen Rockers. Ein Anti-Authentizismus, der in Zeiten in denen die Rock-Zombies auf die Bühnen zurückkehren, flankiert vom unreflektierten Arm des Rock-Revivals, wieder eine besondere Relevanz entwickelt. The Knife treffen zudem genau diese seltsame, im Synthie-Pop aufgehobene Dialektik aus entfremdeten 9-to-5-Büro-Job und Feierabend-Eskapismus. Bunte Pop-Hits, die von einer tiefsitzenden Melancholie durchzogen sind. Damit ist „Deep Cuts“ auch gut beschrieben.
Auf dem neuen, dritten Album wird ihre dunkle Seite offensichtlich. Selbst die eingängigeren Songs wie „Neverland“, das am ehesten an „Deep Cuts“ anschließt, und „Marble House“ mit seinem Merry-Go-Round-Refrain, durchzieht eine tiefsitzende Trauer. Aber The Knife reproduzieren nicht einfach die Tristesse, die in den Stücken von Depeche Mode, Gary Numan oder den frühen Human League lauert. Stattdessen verbinden sie diesen Sound mit der Dringlichkeit der Post-Punk-Phänomene der gleichen Zeit, in der plötzlich massenhaft Frauen die Bühnen stürmten. Und verstärken auch noch den queeren Glamour der sogenannten New Romantics. Sie nehmen sich also alles was gut war an dieser Ära und sind zudem auch noch ähnliche brillante Songwriter wie die Besten dieser Zeit.
Bei aller Dunkelheit ersäuft „Silent Shout“ nie in dem Selbstmitleid, für das traurige, junge, musikmachende Männer so anfällig sind. Das liegt nicht zuletzt an Karin Dreijers charakteristischen Stimme, die in ihrer fordernden Nachdrücklichkeit und mit ihren seltsamen Schlenkern immer einen Kontrapunkt zu den düster dräuenden Sequenzer-Sounds setzt. „Silent Shout“ ist weniger Party-Platte als „Deep Cuts“, hat aber eine ähnlich bekräftigende Wucht.