Schon zehn Jahre vor Michael Mayer reisten Detlef Weinrich alias Tolouse Low Trax und sein Kreidler-Kollege Andreas Reihse erstmals nach Tiflis. Reihse, der damals mit der georgischen, in Deutschland lebenden Künstlerin Thea Djordjadze liiert war, erinnert sich an seinen ersten Besuch im Jahr 2001: „Es gab in Tiflis damals keine Clubs und keine Bars, in denen DJs auflegten. Die Leute, auch junge Menschen, trafen sich eher zu Hause, um zu singen und Klavier zu spielen. Wir spielten dann in einem kleinen privaten Theater Technoplatten – zu zweit auf einem Plattenspieler unterbrochen von Stromausfällen. Und zusammen mit Nikakoi, der ein Live-Set mit in Fruity Loops produzierten Tracks spielte.“

Nikakoi ist einer der Pioniere für elektronische Musik in Georgien. Er veröffentlichte in den folgenden Jahren auch auf dem Berliner Label WMF, seine Frau Natalie Beridze alias tba war zuvor mit dem Kölner Technoproduzenten Thomas Brinkmann verheiratet und veröffentlichte erst auf dessen Label Max Ernst und dann später Platten bei Monika, dem Label von Gudrun Gut. Heute sind Nikakoi und Berizde nach wie vor in der Szene aktiv, beim Konzert von Moderat im Hippodrom bestritten sie das Vorprogramm.

Als Detlef Weinreich und Andreas Reihse vor 16 Jahren zum ersten Mal in Tiflis auflegten, war noch der ehemalige Außenminister der Sowjetunion Schewardnadse Präsident von Georgien und Kriminalität und Korruption beherrschten den Alltag. Das änderte sich erst mit der Rosenrevolution 2003. Fünf Jahre später kam es dann zum Kaukasuskrieg mit Russland, einem Konflikt, der in der Folge die westliche Europa-Orientierung des Landes nur bestärkte. In den Nullerjahren organisierten lokale Enthusiasten in illegalen Räumen Partys, Clubs wie das Night Office öffneten, die regelmäßig deutsche DJs, etwa Stephan Bodzin oder M.A.N.D.Y. buchten. In den vergangenen Jahren ist die Technoszene schnell vorangeschritten.


Stream: HVL – Groove Podcast 120

Viele der aktuellen Entwicklungen in Tiflis’ Clubszene sind positiv. Die Anzahl der Clubgänger wächst ebenso wie die der lokalen Produzenten und DJs. Die neue Visumfreiheit hilft auch georgischen DJs wie HVL oder Ash bei Bookings im europäischen Ausland und das steigende Wissen über die Musik führt unter anderem dazu, dass sich neue, experimentellere Festivals wie das Sou etablieren können, das im vergangenen Jahr mit Konzerten von Raster-Noton-Künstlern startete und diesen Sommer etwa Jan Jelinek, Robert Henke oder das Ensemble Modern zu Gast hatte.

Dazu ziehen die Clubs Besucher aus angrenzenden Ländern wie Aserbaidschan oder Armenien an, die in ihrer Heimat dazu kaum die Möglichkeit haben. Doch Partys zu veranstalten und Clubs zu betreiben ist in Tiflis auch heute noch alles andere als einfach. Reisekosten für ausländische DJs sind deutlich höher als in Westeuropa und die steigenden Gagen machen es in einem Land mit niedrigen Einkommen und schlechter wirtschaftlicher Lage erst recht schwierig, kostendeckend zu arbeiten, selbst bei vollen Nächten. Tato Kharchilava, der Booker und Moderat-Veranstalter, macht sich zudem Sorgen um ein hausgemachtes Problem: Während Nastia im Interview (Groove 168) die Kollegialität unter den Clubs in Kiew betont, sieht er eine zunehmende Konkurrenz in der Szene in Tiflis. Einige Clubs versuchen DJs exklusiv an sich zu binden.

Gefragt nach seinem Eindruck vom Khidi zuckt Bassiani-Mitgründer Getia nur mit der Schulter und sagt: „Ich war noch nicht da.“ Einzelne Partygänger, die mit Betreibern anderer Clubs befreundet sind, berichten, dass sie Schwierigkeiten hätten, bei Bassianis Registrierungssystem angenommen zu werden. Kharchilava macht diese Tendenz betroffen. „Wir leben in einer kleinen, isolierten Stadt“, sagt er am Abend nach dem Konzert noch sichtlich erschöpft. „Um Erfolg zu haben und die Szene langfristig zu stärken, müssen wir zusammenarbeiten und uns gegenseitig unterstützen.“

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