Gute Nachrichten für Kunden des Berliner Record Lofts. In einem Plattenladen, der sein Second-Hand-Angebot nicht regulär auspreist, sondern an der Kasse den gängigen Discogs-Preis eines Release ermittelt, dürfte die kürzlich als Beta-Version für iOS-UserInnen gelaunchte Discogs-App zu einem hilfreichen Tool werden. Deren Kern-Feature nämlich ist ein integrierter Barcode-Scanner, der einem sofort zur Releaseversion führt, die man vor sich hat. Sofern das Release denn überhaupt einen Barcode hat, klar. Der Scanner funktioniert recht zuverlässig, nur bei sehr kleinen Barcodestickern oder schlechten Lichtverhältnissen verweigert er gelegentlich den Dienst, was aber auch der Kamera meines nicht mehr ganz frischen iPhone 5 geschuldet sein könnte. PrivatverkäuferInnen – und darauf wird Discogs es abgesehen haben – dürfte dieses Feature viel Arbeit ersparen. Wer bei Discogs Schallplatten kaufen will hat dagegen wohl eher selten schon einen Barcode zur Hand. Übrigens scheint der getesteten Beta hier noch etwas zu fehlen: Wer etwas kaufen will, wird irgendwann aus der App auf die reguläre Discogs-Homepage umgeleitet.
Das könnte also noch etwas smoother laufen. Ansonsten funktioniert die App wie eine schlankere Version der Online-Datenbank. Die Menüführung ist unauffällig, sprich: erklärt sich von alleine. Man verwaltet seine Wantlist (an dieser Stelle: Ich suche wirklich sehr dringend nach der 8xMC Chapter Eleven von Robert Turman) oder wenn das denn jemand ernsthaft vorhat, auch die eigene Collection. Bei letzterer hängt die Synchronisation noch etwas: Via Browser hinzugefügte Releases tauchen in meiner App auch nach drei Tagen noch nicht auf. Was mir zumindest aber herzlich egal ist.
Nicht egal dagegen ist mir die Tatsache, dass sich die App überhaupt nicht zu Recherche-Zwecken nutzen lässt: Weil ich es schon länger auf das zweite, ganz hervorragende Album der New Age Steppers abgesehen habe, lasse ich mir die Releases der Band anzeige – und finde mich im Dschungel wieder. Die Releaseliste ist nur alphabetisch angeordnet. Sie lässt sich weder nach Jahr der Veröffentlichung sortieren, noch werden Alben, Singles und Compilations getrennt aufgelistet. Wer sich via Discogs Überblick über die Diskografien bestimmter KünstlerInnen verschaffen oder einen Labelkatalog systematisch durchforsten will, dürfte an der App schnell verzweifeln.
Ich rufe das von mir gesuchte Album Action Battlefield also lieber über den Titel auf, kann aber von dort nicht die Kaufangebote aller Releseversionen einsehen. Stattdessen muss ich diese einzeln auf eventuelle Verfügbarkeit abklappern. Im Falle der New Age Steppers ist das zu verkraften. Wer hingegen das weiße Album der Beatles sucht, müsste dann über 300 Releaseversionen einzeln anklicken. Nicht einmal einen Formatfilter gibt es. So eine Release-Labyrinth dürfte wirklich nur solche DiggerInnen freuen, die nach bestimmten Pressungen suchen. Ich komme dagegen zum Fazit: ‘vorläufig unbrauchbar’.
Vielleicht sind das ja nur die sogenannten Kinderkrankheiten. Dann aber sind es ganz schön viele! Andererseits: Während ich Action Battlefield bei Apple Music streame, freut mich das Listenchaos der App sogar irgendwie. Musste man früher – also wirklich ganz ganz früher – nicht auch immer umständlich nach Schallplatten wühlen? Discogs’ neue Unübersichtlichkeit könnte man daher auch als Übersetzung des analogen Plattenkaufens ins Digitale lesen. Entgegen den (vermuteten) Intentionen der EntwicklerInnen wird die Suche nach Musik im Virtuellen dank Discogs-App wieder zu einem endlosen Stöbern. Kulturelle Praxis Plattenbörse, reloaded.