Interview: Sebastian Weiß, Fotos: Javier Bejarano
Über die spanische Technoszene zu sprechen, ohne dabei Oscar Mulero zu erwähnen, wäre ein Unding. Als ehemaliger Clubgründer (The Omen in Madrid) betreibt er heute mit PoleGroup und Warm Up Recordings zwei gut laufende Labels und wird auch nach 20 Jahren hinter den Decks nicht müde, sich einzumischen. Nachdem sein letzter Langspieler Black Propaganda die finanzielle Krise in Spanien zum Thema hatte, bleibt Mulero seiner konzeptuellen Arbeitsweise treu. Sein neues Album Muscle And Mind stellt den Spanier durch die Auseinandersetzung von geistigen und mentalen Zuständen abermals als Underground-Verfechter mit Köpfchen vor. Wir haben mit Mulero über die LP gesprochen und zeigen das Video zum Stück „Anatomical Variation“ als exklusive Premiere.
Oscar, das Video zu „Anatomical Variation“ nutzt nicht nur die Illustrationen von Acid Hazel, die auch auf dem Cover deiner LP zu sehen sind, sondern versucht auch die Wechselbeziehung von Körper und Geist zu visualisieren. Warum hast du diese altertümlich wirkenden Zeichnungen ausgesucht?
Sie passen sehr gut zum Konzept und zum Titel der Platte. Ich mag die Art und Weise, wie sie die Textur und der Ästhetik der Stücke visuell ergänzen. Als ich Acid Hazel vom LP-Titel und dem Konzept erzählte, war das die erste Idee, die er für das Artwork hatte. Und ich wusste sofort, dass es perfekt passen würde.
Video: Oscar Mulero – Anatomical Variation
Manche Leute würden sagen, dass fast jede Techno-Platte von der Überwindung der Trennung zwischen Körper und Seele handeln. Was macht das Thema für dich so besonders und interessant?
Die Art, wie der Körper bestimmte Aspekte des Geistes widerspiegelt, wie beide miteinander interagieren können. Sich mit dieser Wechselbeziehung musikalisch zu beschäftigen, war ein sehr ansprechende Vorstellung. Die Kombination von Beats mit verschiedenen Atmosphären soll genau diese Beziehung darstellen. Die Stücke auf der Platte, die am meisten Ambient-Elemente enthalten, wie „201 Element“, „Unconscious“ oder „Muscle And Mind“, handeln alle davon.
„Muscle And Mind“ ist deine vierte LP und zeigt exemplarisch in welche Richtung sich deine Musik über die Jahre hinweg entwickelt hat: AFX-ähnliche IDM-Klänge treffen auf SciFi-Sounds, hypnotisierende Staccato-Rhythmen stehen perfekt geformten Arrangements gegenüber und kreieren sowohl Seelenruhe als auch Aufruhr. Wie würdest du selbst dein neues Album im Vergleich zu seinen Vorgängern beschreiben?
Ich glaube, das Black Propaganda mehr auf den Club fokussiert war. Im Gegensatz dazu befindet sich auf Muscle And Mind Musik, zu der du nie um vier Uhr morgens tanzen würdest. Diese Tracks schielen nicht auf den Dancefloor, sondern sind zum Hören und Reflektieren gedacht. Ich nutzte zum Beispiel auch nur drei der 12 Tracks auf dem Album in meinen Techno-Sets.
Du legst bereits seit mehr als 20 Jahren auf. Hast du das Gefühl, dass sich in dieser Zeit die Dinge in Zyklen wiederholt haben? Oder anders gefragt: Glaubst du, in der elektronischen Musik ist immer noch ein Fortschritt möglich?
Es ist möglich, dass wir auf der technischen Seite noch Fortschritte sehen werden, aber ich bin mir auf der kreativen Seite nicht so sicher. Vor allem, wenn wir über Tanzmusik reden, und im speziellen über Techno. Damit ein Stück als Techno akzeptiert wird, muss es bestimmten Mustern folgen. Der Techno, der heute produziert wird, erinnert an einige der Sachen aus den Neunzigern: Tracks, die aus wenigen Elementen bestehen und einen langen Aufbau haben. Wenn einige der Twenty-Somethings dachten, dass der Minimal-Boom vor ein paar Jahren musikalisch etwas Neues war, dann liegt es daran, dass sie noch nicht dabei waren um die ersten Platten von Labels wie Chain Reaction oder Basic Channel gehört zu haben. In meinen Augen ist Tanzmusik zyklisch, besonders im Fall von Techno. Bei Musik, die nur zum Hören und nicht zum Tanzen gedacht ist, ist das meiner Meinung nach nicht so stark der Fall. Denn diese Art von Musik muss keinen Regeln folgen und bietet mehr Raum für Kreativität.
Spanien hat gerade eine schwere Wirtschaftskrise erlebt. Wie hat sich die Krise deiner Meinung nach auf die Musikszene ausgewirkt?
Das war eines der Themen, mit denen sich Black Propaganda beschäftigte. Alles, was in meiner Stadt und um mich herum passiert, beeinflusst ohne Frage auch meine Gefühle. Meine Umwelt prägt meine Stimmung und meine Gemütsverfassung. Und irgendwie wirkt sich das auf meine Musik aus.
Gibt es einen DJ, der auf dich im vergangenen Jahr einen großen Eindruck bei dir hinterlassen hat? Und falls ja, warum?
Es gibt einige neue DJs, die ich interessant finde. Aber um ehrlich zu sein, der DJ, der mich über die Jahre hinweg am meisten beeindruckt hat, ist Jeff Mills. Er ist immer noch mein größtes Vorbild und ich denke, es gibt keinen anderen wie ihn. Ich finde, er hat die angeborene Fähigkeit, Dinge durch seine Musik zu kommunizieren. Seine Musik spricht für ihn – er ist einzigartig!
Kannst du uns zum Abschluss ein wenig über deinen Live-Auftritt im Sommer in Amsterdam erzählen, wo du dein Album über das 4dsound-System präsentieren wirst?
Es wird auf jeden Fall sehr interessant werden, das Album über dieses System live zu spielen. Ich kann noch nicht zu sehr in die Details gehen, aber die Vorbereitungen werden ein paar Tage dauern und ich werde die Chance haben, mit einem System zu arbeiten, dass den state of the art darstellt. Das wird eine ganz besondere Erfahrung werden!